Spitzenfrauen fordern Weichenstellung für eine geschlechtergerechte KI im Gesundheitswesen

Gezielt an Lösungen arbeiten – die Podiumsdiskussion des parlamentarischen Abends der Spitzenfrauen Gesundheit.
Brigitte Strahwald (LMU München) präsentiert eine systematische Analyse mit Handlungsoptionen.
Blick auf Gäste und Podium des parlamentarischen Abends
Die Moderatorinnen der Spitzenfrauen Gesundheit: Cornelia Wanke (l.) und Rebecca Otto.
Nicole Stelzner (Gilead Sciences) ist von geschlechterspezifischen Daten überzeugt.
Andrea Galle (mkk) weist auf geschlechtsspezifische Leistungen der Krankenkassen hin.
Turu Stadler (Charité) fordert geschlechterdifferenzierte Datengenerierung.
BMG-Staatssekretärin Antje Draheim
Ulrike Hauffe (Spitzenfrauen Gesundheit) (r.) im Gespräch mit Brigitte Strahwald (LMU München)
Kerstin Macherey (MD Bund) im Gespräch
Eine nachdenkliche Kirsten Kappert-Gonther MdB (Grüne)
Katja Kohfeld (BMG) im Gespräch
Die Macherinnen des parlamentarischen Abends: Rebecca Otto, Cornelia Wanke (beide Spitzenfrauen Gesundheit), BMG-Staatssekretärin Antje Draheim, Turu Stadler (Charité), Kirsten Kappert-Gonther MdB (Grüne), Andrea Galle (mkk), Brigitte Strahwald (LMU München), Nicole Stelzner (Gilead Sciences) (v.l.n.r.)


Der Einsatz von KI im Gesundheitswesen muss geschlechtergerecht und der Gender Data Gap geschlossen werden. Diese zentrale Forderung steht im Fokus des parlamentarischen Abends der Spitzenfrauen Gesundheit mit Unterstützung der mkk und Gilead Sciences. Der Veranstaltungsort ist passend zu diesem hochaktuellen Digitalisierungsthema gewählt – das Atrium von Microsoft in Berlin.

Auf wie vielen Bildern sind Frauen abgebildet, wenn man einer KI die Fragen stellt: Zeig mir Bilder von Macht, Erfolg, Schönheit? Das Ergebnis ist ernüchternd: Bei Schönheit sind 95 % Frauenbilder, bei Macht und Erfolg jeweils 12 % und 20 %. Beginnend mit diesen Schätzfragen lenkt Cornelia Wanke, Co-Vorsitzende der Spitzenfrauen Gesundheit, die Aufmerksamkeit der Gäste gezielt auf den gewaltigen Gender Bias in der KI. Geschlechtergerechte Medizin sei das Gebot der Stunde. Der KI-Fortschritt sei eine Herausforderung und Chance zugleich, um den Gender Bias zu beseitigen. Sie betont, dass derzeit viele medizinische Studien hauptsächlich an männlichen Probanden durchgeführt werden. Diese Ergebnisse dürfe nicht auf Frauen übertragen werden.

Antje Draheim, Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), berichtet, dass die KI und deren Möglichkeiten ein bedeutendes Thema sei, das verstärkt in die Bevölkerung getragen werden müsse. Auch für das BMG sei es wichtig, repräsentative Daten zu schaffen. Bei diesem Vorhaben könne man daher auf die Unterstützung ihres Ministeriums zählen. KI werde das Tempo beschleunigen. Man stehe gerade an einem entscheidenden Punkt der Zeitenwende. Wenn jetzt nichts im Bereich geschlechtergerechte Daten getan werde, werde auch nichts passieren. Viele medizinische Studien, die KI-Anwendungen verwenden, würden vorrangig auf männlichen Probanden beruhen. Somit habe KI aktuell noch eine verzerrte Wirkung. Die elektronische Patientenakte (ePA) habe das Potential, geschlechtergerechte Datensätze zu schaffen.

Brigitte Strahwald, Ärztin und Epidemiologin an der LMU München, klärt in ihrem Impulsvortrag über den blinden Fleck (Gender Bias / Gender Data Gap) der KI-Forschung auf. Der Gender Data Gap habe messbare Auswirkung auf die Gesundheit von Männern und Frauen. KI könne vieles leisten, basiere aber auf unterschiedlichen Methoden mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Die fehlenden geschlechterspezifischen Daten und fehlenden Studien zu Frauen Themen würden zu Lücken und Verzerrungen in den Datensätzen führen, die in den Algorithmus einfließen und damit von der KI verwendet werden. Der Algorithmus sei nicht das Problem bzw. der Grund für die Verzerrung.

Die Algorithmen würden die Wirklichkeit mit allen Vorurteilen und Stereotypen im Gesundheitswesen reproduzieren. „Es ist kein punktuelles Problem, sondern ein systemisches“, betont Brigitte Strahwald. Für eine systemische Therapie zur Behebung des Blinden Fleckes (Gender Bias / Gender Data Gap) in der KI-Forschung schlägt sie folgendes vor: paritätische Besetzung in Entscheidungspositionen (langfristig), Förderung geschlechtergerechter Forschung und geschlechtersensibler KI-Entwicklung (mittelfristig) sowie eine Fördervoraussetzung mit Generierung von geschlechterdifferenzierten Daten (kurzfristig).

Die Podiumsdiskussion, moderiert von Cornelia Wanke und Rebecca Otto, Co- Vorsitzenden der Spitzenfrauen Gesundheit, widmet sich dem Thema „Wie kann KI im Gesundheitsbereich geschlechtergerecht werden? Weichenstellung jetzt!“ Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Grüne, Gründungsmitglied der Spitzenfrauen Gesundheit, erklärt, dass sich schon viel bei der Gleichberechtigung von Frauen getan habe, man sei aber noch nicht da, wo man hinwolle. Andrea Galle, Vorständin mkk – meine krankenkasse, verweist auf den § 2b SGB V: „Bei den Leistungen der Krankenkassen ist geschlechts- und altersspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen.“ Sie unterstreicht damit die Relevanz der Thematik aus Kassenperspektive. Nicole Stelzner, Senior Director Government Affairs und Mitglied der Geschäftsleitung bei Gilead Sciences, betont, dass geschlechterspezifische Daten wichtig für eine gute Patientenversorgung sind und die KI dabei helfen könne, die Datenlage zusammenzuführen. Turu Stadler, Professorin für geschlechtersensible Präventionsforschung Charité, sieht als machbaren nächsten Schritt, wie auch Brigitte Strahwald, bei allen öffentlich geförderten Studien, die Voraussetzung einer geschlechterdifferenzierten Datengenerierung zu implementieren.

Mit diesen anregenden Impulsen gehen die Gäste in den Austausch. Das anregende Get-Together wird mit kleinen Köstlichkeiten aus der Küche und erfrischenden Kaltgetränken schmackhaft gemacht.

 

Dr. Ines Niehaus

 

 


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