Sommerempfang der DKG: erst Lauterbach-Unwetter, dann Warken-Sonne

Erstmalig beim DKG-Sommerempfang ist Bundesgesundheitsministerin Nina Warken.
Politik geballt: Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi, Johannes Wagner MdB (Grüne), Bayerische Staatsministerin für Gesundheit Judith Gerlach (v.l.n.r.)
DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß bei seiner Rede mit einem großen Wunschzettel
Zahlreiche Gäste beim DKG-Sommerempfang
Nach Jens Spahn und Karl Lauterbach jetzt auch Pressesprecher für Nina Warken: Hanno Kautz (l.) mit der Bundesgesundheitsministerin und Thomas Lemke (DKG) (r.)
Gelassen und amüsiert ist BMG-Staatssekretär Tino Sorge.
Christos Pantazis MdB (SPD) (r.) im intensiven Gespräch mit Philipp Kunze (G-BA) (l.)
Thomas Bublitz (BDPK), Jonathan Graf (VPK), Peter Kwak und Antonia Walch (beide BDPK) (v.l.n.r.)
Kerstin Macherey (MD Bund), Alexandra Gutwein (BBMV), Michael Mörsch (DKG), Katharina Hoffmann (BMG) (v.l.n.r.)
Oliver Blatt (GKV-SV), Bernadette Rümmelin (kkvd), Martin Krasney (GKV-SV) (v.l.n.r.)
Ulrike Elsner (vdek) (l.) und Henriette Neumeyer (DKG)
Auch BMG-Staatssekretär Georg Kippels ist beim DKG-Sommerempfang.
Berlins Gesundheitssenatorin Ina Czyborra im kritischen Gespräch mit Nicole Schlottmann (DKG) und Thomas Mansky (v.r.n.l.)
Thomas Lemke (DKG) mit großer Geste gegenüber Sylvia Bühler (verdi)
Gerald Gaß mit der Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Bundestag Tanja Machalet MdB (SPD)
DKG vereint mit Minister: Thomas Lemke (DKG), Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi, Henriette Neumeyer, Gerald Gaß (beide DKG) (v.l.n.r.)
Wer wohl wen bei der Krankenhausreform berät? Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (l.) mit DKG-Vorstandsvorsitzendem Gerald Gaß und seiner Stellvertreterin Henriette Neumeyer


Das Wetter passte trefflich zum Verhältnis zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Bundesgesundheitsministerium: böiger Wind, heftiger Platzregen, zwischendurch Aufhellungen – erst ungemütlich, dann freundlich und sonnig. Noch vor einem Jahr wehte unter Ex-Minister Karl Lauterbach Gegenwind. Beim diesjährigen DKG-Sommerempfang im Spreespeicher hingegen war die Eintracht zwischen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und dem Vorstandsvorsitzenden Gerald Gaß unübersehbar – begleitet von einem ebenso umfangreichen Wunschzettel.

Gaß sprach in seiner Begrüßung von notwendigen, mutigen, klaren und politischen Entscheidungen. Ohne diese drohe das System in Rationierung und Wartelisten zu geraten. Das dürfe nicht geschehen. Eine Neuausrichtung der Politik sei notwendig – eine Krankenhauspolitik mit Augenmaß, die zwischen sinnvoller Konzentration spezialisierter Leistungen und gesicherter wohnortnaher Grundversorgung die richtige Balance finde.

Dann rechnete Gaß mit der Lauterbach-Politik ab. „In den zurückliegenden Jahren durfte man den Eindruck haben, dass von der Krankenhausreform allein das gesamte Wohl und Wehe des Gesundheitswesens und darüber hinaus die Lebenserwartung der Bevölkerung abhängt“, betonte er. Die überzogene und nicht immer von Respekt getragene Debatte habe Spuren hinterlassen.

Jetzt also „ein echter Neuanfang“ – mit mehr Vertrauen und konstruktivem Miteinander. Der Transformationsfonds sei eine große Chance für eine planvolle Veränderung der Krankenhauslandschaft. Doch auch Risiken seien nicht zu leugnen.

Seine Forderung: Weg mit der Vorhaltefinanzierung. Sie würde die Probleme verschärfen und Fehlanreize setzen. Die Krankenhäuser würden auf Masse setzen, um möglichst viele Leistungsgruppen zu behalten. Stattdessen brauche es eine echte Strukturkostenfinanzierung – unabhängig von Fallzahlen, die bedarfsnotwendige Vorhaltung stärke. Gaß appellierte an Bund und Länder, gemeinsam über ein Aussetzen der Vorhaltefinanzierung zu entscheiden.

Auch der InEK-Grouper müsse „schnell“ überarbeitet werden. Er sei wichtig, aber müsse zuerst der Krankenhausplanung dienen. „Schön, dass sich der DKG-Chef auch für die Länderinteressen einsetzt“, hieß es vom Nachbartisch. Der Landesbasisfallwert sollte ebenfalls erhöht werden. Falls das nicht möglich sei, müsse umfassend Bürokratie abgebaut werden – ein wesentlicher Treiber der Kostenentwicklung. Die Pflegepersonaluntergrenzen will Gaß ebenso neu bewerten. 30 Prozent mehr Pflege pro Belegungstag als bei der Einführung sei mittlerweile Alltag. Die Ergebnisqualität müsse intensiver bemessen werden.

Zwei „unwiderstehliche Angebote“, wie Gaß sie nannte, machte er der Bundesgesundheitsministerin: Die Hybrid-DRGs müssten den Leistungsgruppen zugeordnet und nicht wie bisher als Fallpauschalen abgerechnet werden. Ohne Korrektur würden private Investoren ambulante OP-Zentren ohne Strukturen vor den Krankenhaustoren eröffnen und sich die lukrativsten Patienten sichern. Gaß versprach, dass die vorgegebenen Fallzahlen ambulant auch innerhalb der Leistungsgruppen erreicht würden. So könne vermieden werden, „dass der schon heute hochbelastete ambulante fachärztliche Bereich mit langen Wartezeiten nicht noch stärker belastet wird.“ Stationär vor ambulant – die neue Marschrichtung, meinte ein Gast.

Ein Dorn im Auge ist Gaß auch der von Lauterbach initiierte Bundesklinikatlas – ein offenbar bis heute erfolgloses Informationsportal. Bis zu dessen Einführung war auf der BMG-Website das Deutsche Krankenhausverzeichnis zu finden, das monatlich 500.000- bis 600.000-mal aufgerufen wurde. Der von Lauterbach „mit viel Tamtam“ gestartete Klinikatlas komme „gerade mal“ auf 100.000 bis 200.000 Klicks. Er verursache zudem einen „enormen bürokratischen Aufwand“, weil er zusätzliche, „völlig nutzlose“ Informationen von den Krankenhäusern verlange. Gaß’ Angebot: Die DKG stelle das Verzeichnis dem BMG „gern“ wieder zur Verfügung – auch überarbeitet mit den Fachleuten des Ministeriums, für 120.000 Euro im Jahr. So viel habe die DKG zuletzt für die Veröffentlichung auf der BMG-Website erhalten.

Der Ministerin und Tennisspielerin wünschte Gaß „ganz viele Asse, weniger Forced Errors“. Sie antwortete, sie versuche, das eine oder andere Tennismatch einzubauen – auch Tischtennis. Ein kleiner Hieb auf Lauterbach, der nach seiner Amtszeit eine von Mitarbeitern geschenkte Tischtennisplatte im Ministerium zurückließ – freiwillig.

Warken teilte mit, dass sie am Bundesklinikatlas nicht mehr festhalten wolle. Es sei schwierig, ein System aufrechtzuerhalten, das eine Doppelstruktur darstelle – neben einem bereits bestehenden, vielleicht auch besser angenommenen. „Hier müssen wir dringend eine Lösung finden.“ An Gaß gewandt sagte sie: „Da haben wir beide die gleiche Grundauffassung.“

Zur Krankenhausreform bot sie an, einen „guten, belastbaren Dialog“ über schwierige oder strittige Fragen zur Perspektive der Krankenhäuser zu führen. Die Probleme seien offensichtlich: überbordende Bürokratie, Fachkräftemangel, unzureichende Digitalisierung, die Frage nach der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems. Warken nannte weiter: fehlende Bedarfsorientierung, Überversorgung in Ballungsräumen, mangelnde Konzentration spezialisierter Leistungen, unzureichende Ambulantisierung und zu hohe Kapazitäten – viele Betten blieben ungenutzt. Gleichzeitig gebe es Rekordausgaben für die stationäre Versorgung von über 100 Milliarden Euro, während viele Krankenhäuser rote Zahlen schrieben.

„So, wie der Prozess bisher lief bei der Krankenhausreform, wollen wir nicht weitermachen“, betonte sie. Und ergänzte: „Es wird mit mir keine Reform der Reform geben, die dann alles beim Alten lässt.“ Der Status quo der Krankenhausstruktur dürfe nicht konserviert werden. Den Namen des neuen Gesetzes, das derzeit in Arbeit ist, nannte sie auch: Krankenhausreformanpassungsgesetz. Die Vorhaltevergütung solle ab 2028 schrittweise eingeführt werden. Einen kalten Strukturwandel dürfe es nicht geben. Mit Mut und Geschlossenheit müsse die Transformation der Krankenhauslandschaft gelingen.

Zum Schluss versprach Warken ein Sofortprogramm für Cybersicherheit an: „Wir werden die Krankenhäuser bei den notwendigen Maßnahmen der IT-Sicherheit unterstützen. Denn eine gute Versorgung der Patienten heißt auch eine sichere Versorgung.“ Geplant sei ein Sofortprogramm zum Aufbau resilienter IT-Strukturen in Krankenhäusern und systemrelevanten Gesundheitseinrichtungen. Das Programm soll noch in den diesjährigen Haushaltsberatungen beschlossen werden – „hoffentlich“, so die Ministerin.

Bei so vielen angekündigten Geschenken für die Krankenhäuser konnte der Abend nur gelingen: die Temperaturen angenehm, das Essen hervorragend, die Getränke kalt. Für die DKG – und damit für die Krankenhäuser – ein durchweg positiver Abend.

 

Fina Geschonneck 


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