Reha rückt in den Fokus der Regierung

Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken e.V.

Selten war die Reha im Fokus der Gesundheitspolitik, obwohl die Reha-Verbände und die Rehabilitationskliniken seit mehr als 20 Jahren über den dringenden Handlungsbedarf mit der Politik diskutieren. Worum es geht, ist schnell umrissen:

Die Genehmigungsfalle: Die medizinische Rehabilitation wird nach wie vor von den Rehabilitationsträgern nur auf Antrag genehmigt. Damit ist sie eine der wenigen Leistungen in unseren Sozialsystemen, die trotz ärztlich attestierter medizinischer Notwendigkeit z. B. nach Schlaganfällen, Herzoperationen etc. auch abgelehnt werden können, wenn die Versicherung anderer Meinung ist. Zu häufig kommt es zu vermeidbaren Versorgungslücken, wegen denen viele Patienten im Krankenhaus bleiben oder direkt in Pflegeheime verlegt werden müssen, obwohl das mit Reha vermeidbar gewesen wäre. Kritik wird dazu auch an der Deutschen Rentenversicherung laut, weil zu viele vor allem psychisch kranke Patienten ohne Reha ihren Job verlieren.

Die Preisfalle und die Klinikwahl: Gerade die gesetzlichen Krankenkassen schreiben ihren Versicherten nach Genehmigung der Rehabilitation explizit vor, in welcher Klinik sie sich behandeln lassen müssen. Unabhängig von diesem paternalistischen Machtverständnis halten damit die Krankenkassen alle Trümpfe in Sachen Marktmacht in der Hand und spielen sie auch konsequent aus. Setzt eine Klinik höhere Kosten in Vergütungssatzverhandlungen in höhere Preise um, muss sie mit einem sofortigen Belegungseinbruch rechnen. Denn die Patienten werden selbst auf Kosten langer Wege und langer Wartezeiten konsequent in die billigsten Einrichtungen geschickt. Deshalb haben sich die Pflegesätze über die Jahre gemessen an den Kosten unterdurchschnittlich entwickelt. So kostet ein Behandlungstag in einer Reha-Klinik mit medizinischer Versorgung meist nicht mehr wie eine Hotelübernachtung mit Frühstück in einem Mittelklassehotel.

Während es selbstverständlich ist, dass sich die Patienten ihren niedergelassenen Arzt oder ihr Krankenhaus frei auswählen dürfen, entscheiden die Rehabilitationsträger, in welche Reha-Einrichtung der Patient zu gehen hat. Häufig passen dabei die Vorstellungen von Krankenkasse und Patient nicht zusammen. Entscheidet sich der Patient für eine andere zugelassene Vertragsklinik, werden ihm zusätzlich zur gesetzlichen Zuzahlung die Differenzkosten zur gewählten Einrichtung auferlegt. Damit wird das Thema Wunsch- und Wahlrecht der Patienten häufig zu einer Frage des persönlichen Geldbeutels.

Preisfalle und der Fachkräftebedarf: Nicht erst seit den „Spahnschen Gesundheitsreformen“ steigen die Gehälter für medizinisches und therapeutisches Fachpersonal enorm. Wegen der sogenannten Grundlohnbindung dürfen die Preise in der medizinischen Reha jedoch nicht stärker steigen, als sich die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen entwickeln. Daraus resultiert ein seit vielen Jahren auseinanderdriftendes Gehaltsgefüge. So erhalten Pflegekräfte beispielsweise in Krankenhäusern bis zu 500 € mehr im Monat als ihre Kollegen in den Rehabilitationskliniken. Die Folge ist, dass es immer schwieriger wird, neue qualifizierte Kolleginnen und Kollegen im ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Bereich für die Arbeit in Rehakliniken zu gewinnen.

 

IPReG für die Reha der gesetzlichen Krankenkassen

Viele dieser Punkte sollen nun im Rehabilitationsteil des Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG) verbessert werden. Das Kabinett hat den Entwurf des Gesetzes am 12. Februar 2020 beschlossen. Dafür sind wir der Regierungskoalition und Herrn Bundesminister Jens Spahn außerordentlich dankbar.

Ein grundlegendes Prinzip im IPREG ist die gemeinsame Verantwortung von GKV-Spitzenverband und den Reha-Leistungserbringerverbänden zur Vereinbarung von Rahmenempfehlungen zu Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen und von Grundsätzen einer leistungsgerechten Vergütung. Die Inhalte dieser Rahmenempfehlungen sind für die Einzelverträge mit den Rehabilitationseinrichtungen zugrunde zu legen; Kommen Rahmenempfehlungen nicht zustande, entscheidet die neue Bundesschiedsstelle (§ 111 Abs. 7 SGB V).

Damit erhalten die Rehabilitationseinrichtungen erstmals ein partizipatives Leistungserbringerrecht, in dem sie selbst über die maßgeblichen Reha-Leistungserbringerverbände an der Ausgestaltung der Leistungs- und Vergütungsgrundlagen beteiligt werden.

 

MedRehaBeschG für die Reha in der Rentenversicherung

Auch für die Reha der Rentenversicherung sind einige Dinge im Umbruch. Vor wenigen Tagen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Beschaffung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Weiterentwicklung des Übergangsgeldanspruchs – Medizinische Rehabilitationsleistungen-Beschaffungsgesetz (MedRehaBeschG) an die Verbände der Leistungserbringer zur Stellungnahme verschickt. Mit diesem Gesetz soll die Rentenversicherung davor geschützt werden, Leistungen der medizinischen Rehabilitation zukünftig öffentlich ausschreiben zu müssen. Dies ist eine langjährige Forderung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrechnungshofes. Die Pflicht zur Ausschreibung ist nur dadurch zu umgehen, dass die Deutsche Rentenversicherung als Rehabilitationsträger ein transparentes und diskriminierungsfreies Zulassungsverfahren von Rehabilitationseinrichtungen organisiert. Gleiches gilt für das Belegungsverfahren, also die Frage, welcher Patient warum und zu welchem Preis in welche Rehabilitationseinrichtungen zugewiesen wird, und wie ein transparentes und leistungsbezogenes Vergütungssystem gestaltet sein muss.

Insgesamt fällt auf, dass es im Bereich der Reha der Rentenversicherung nach SGB VI mit der Beteiligung der Rehabilitationseinrichtungen an der Ausgestaltung der Zulassung der Rehabilitationseinrichtungen, an der Ausgestaltung der Leistungen und der Festlegung der Grundsätze der Vergütung nicht weit her ist. Hier soll die DRV als Reha-Träger weiterhin alleinig handlungs- und beschlussfähig sein. Die Rehabilitationseinrichtungen werden weiter keine geregelten Mitwirkungsrechte am Leistungserbringerrecht des SGB VI zu haben.

Die beiden Gesetzentwürfe zeigen sehr unterschiedliche Vorstellungen zur Ausgestaltung des Leistungserbringerrechts zwischen den Ressorts Arbeit und Soziales sowie des Ressorts Gesundheit: hier autokratisch, dort partizipativ!


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