15.05.2024
Punktsieg für Bundesländer und Krankenkassen beim vdek-Frühlingsfest
Trotz Absage hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beim diesjährigen vdek-Frühlingsfest nicht eine Sekunde gefehlt. Im Gegenteil: Die GMK-Vorsitzende Prof. Dr. Kerstin von der Decken listet überzeugend und stark gestikulierend auf, warum die Länder gegen die Krankenhausreform sind. BMG-Staatssekretär Edgar Franke fällt seinem Chef in den Rücken mit Äußerungen zum Transformationsfonds, und vdek-Vorsitzender Uwe Klemens macht klar: Ohne soziale Selbstverwaltung läuft gar nichts. Grandioses Wetter mit Verweilen auf der Terrasse sowie schmackhafte Speisen machen den Abend zu einem wahren Fest.
Vielleicht hat der Minister geahnt, dass er an diesem Abend einfach nur verlieren wird – verbal, versteht sich. Keine Teilnahme aufgrund einer „Terminkollision“ lässt er am Freitag vergangene Woche mitteilen. Ein Auftritt bei „Markus Lanz“ hat Vorrang. Der Minister bietet an, seinen Staatssekretär zu schicken. Das ist freundlich. Dafür kommen vier Gesundheitsministerinnen – aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Ministerinnen-Power gegen Lauterbach-Abstinenz.
Scharfe Kritik der GMK-Vorsitzenden
Kerstin von der Decken, Justiz- und Gesundheitsministerin aus Schleswig-Holstein und derzeitige GMK-Vorsitzende, hätte dem Minister sicherlich blanken Zorn beschert. Die Professorin für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Völkerrecht, Europarecht und Allgemeine Staatslehre widmet sich in ihrer Rede vor allem dem KHVVG. Nur wenige Stunden zuvor ist der Gesetzentwurf vom Kabinett beschlossen worden. „Den gemeinsamen Weg, den wir angefangen hatten zu gehen, wurde vom Bund verlassen. Und den gemeinsamen Weg hat der Bund mit den anderen Akteuren im Gesundheitswesen, mit den Krankenhäusern, mit den Ärzten, mit den Krankenkassen erst gar nicht beschritten“, sagt sie. Das sei eine der Hauptprobleme, warum die Krankenhausreform schleppend vorangehe, kritisch gesehen auch nicht gut ausgestaltet sei. Dennoch: Die Länder wollen die Reform, das betont von der Decken mehrmals und vehement.
Sie erinnert daran, dass die Länder weniger als zwei Wochen Zeit hatten für eine Stellungnahme zum Referentenentwurf. Ein gemeinsames Papier sei erarbeitet worden mit umfangreichen Forderungen. „Das zeigt: Es geht nicht um Parteipolitik, sondern allein um die Sache“, betont die Ministerin. Doch keine der Länder-Forderungen finde sich im Gesetzentwurf wieder.
Und von der Decken spricht noch einmal die von ihr genannten Grundbedingungen für die Reform an: Bund und Länder erarbeiten gemeinsam den Gesetzentwurf, der als zustimmungspflichtig in den Bundestag eingebracht wird: „Von beidem hat sich der Bundesgesundheitsminister gelöst.“ Sehenden Auges gehe der Bund auf die Verabschiedung eines formell wie materiell verfassungswidrigen Gesetz zu.
Von der Decken sei überzeugt, dass es zu Klagen gegen das KHVVG komme – von Ländern, Krankenkassen oder Krankenhäusern: „Dieses Gesetz wird vor dem Bundesverfassungsgericht landen“, ist sich die Juristin sicher. Kritik gibt es auch zur Finanzierung des Transformationsfonds mit dem Geld der GKV. Es kann nach Aussage von der Decken nicht sein, dass der Bund mit Vorgaben, wie die Reform auszusehen hat, sich aus der finanziellen Verantwortung komplett herausnimmt. Der Länder-Vorschlag: Hälfte Länder, Hälfte Bund, der doch auch konkrete Kriterien vorgibt. Die Allianz mit den Krankenkassen ist geschmiedet. Weiterer Beweis dafür sagt von der Decken zum Schluss ihrer Rede: Die Länder sehen die Zahlung der versicherungsfremden Leistungen seitens der GKV für kritisch. Eine Vielzahl der Gäste freut es.
Lockere Wortwahl des BMG-Staatssekretärs
Der parlamentarische Staatssekretär im BMG, Edgar Franke, erklärt zur Finanzierung des Transformationsfonds, dass es schwierig gewesen sei, dafür Steuermittel zu erhalten. Vorsichtig, wie er es nennt, sagt er: „Der Umbau der Krankenhauslandschaft ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die perspektivisch nicht nur aus GKV-, sondern auch aus Steuermitteln finanziert werden muss.“ Franke verweist auf 2026, dann werde man weitersehen.
Sein Minister denkt hier jedoch anders, verteidigt demgegenüber bei jeder Gelegenheit die GKV-Finanzierung hinsichtlich Transformationsfonds – und vermeidet dabei, auf Steuermittel auch nur hinzuweisen. Erst in der Bundespressekonferenz nach dem Kabinettsbeschluss teilt Lauterbach mit: Da die Patienten ihre GKV-Beiträge bereitstellen, würden sie auch von den Wirtschaftlichkeitsgewinnen profitieren. Die Krankenkassen hätten also ein besonderes Interesse, dass die Reform laufe.
Franke ist bei seiner Rede mit seiner Wortwahl ausgesprochen locker. So berichtet er, dass er „im Auftrag des Herrn“ 70 Krankenhäuser 2023 besucht habe. Die Unsicherheit sei groß, so sein Fazit. Die Krankenhausreform sei verschleppt worden.
Hinsichtlich der ambulanten Versorgung meint Franke, dass die Entbudgetierung der Hausärzte vorsichtig angegangen werden müsse. Überversorgte Gebiete müssten sich „in Ruhe“ angeschaut werden. „Feinjustieren“ sollte man auch die Vorsorgepauschale im Interesse eines ausgewogenen Systems. Die GKV will Franke entlasten; beispielsweise bei den Kosten für die medizinische Versorgung der Bürgergeldempfänger. Die Ursache sieht der SPD-Politiker in den Jobcentern, weil die keine Beiträge überweisen würden. Auch der Bundeszuschuss müsse angepasst werden, so stehe es im Koalitionsvertrag. Gemurmel im Saal, Vermutungen machen die Runde, dass er reduziert wird mit Blick auf die gerade laufenden Haushaltsberatungen.
Zahlreiche Appelle des vdek an die Politik
Für Uwe Klemens, vdek-Verbandsvorsitzender, ist vor allem wichtig, dass die soziale Selbstverwaltung künftig mit am Verhandlungstisch sitzt. Er verweist auf das Prinzip der Subsidiarität in Deutschland. Der Staat setze den Rahmen, der im Grundgesetz festgeschrieben sei, „und wir, die soziale Selbstverwaltung, füllen das aus“ hinsichtlich der Versorgung der Versicherten und Patienten. Ein wesentlicher Baustein für den sozialen Frieden, betont Klemens. Seit längerem ändere sich das jedoch. Die Politik wolle nicht nur den Rahmen gestalten: „Sie möchte die Aufgabenverteilung zwischen ihr und der Selbstverwaltung ändern und bis ins Detail die Dinge selbst regeln.“ Es gebe zu viele Politiker, die vergessen hätten, dass der Gesundheitsfonds durch Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern aufgebraucht werde. „Das ist nicht Ihr Geld, was sie einfach mal so ausgeben können“, erregt sich der Verbandsvorsitzende. Wenn es dann gewollt werde, „dann sind wir bitte schön vorher zu fragen.“
Die derzeitige Gesetzgebung laufe auf die Erhöhung von zirka 0,3 Prozent Beitragspunkte hinaus, berichtet er dann. Zwischen neun und zehn Milliarden Euro würden jährlich für die Krankenversicherung der Bürgergeldempfänger, zusätzlich 2,5 Milliarden Euro für den Transformationsfonds; für Kliniken, die in der Pandemie reichlich Geld bekommen hätten. „Das kann nicht sein.“
Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, sagt, eine nachhaltige Kranken- und soziale Pflegeversicherung sei elementar. Statt Beitragserhöhungen gebe es intelligente Alternativen. Das Thema Notfallversorgung und Rettungsdienste müsse beispielsweise schnell angegangen werden. Letzteres gehöre in das SGB V.
Genug Gesprächsstoff für die kommenden Stunden. Die Gäste nutzen in großer Zahl die Terrasse mit phantastischem Blick über Berlins Dächer. Eine leichte Brise weht – da lassen sich die wohlschmeckenden Speisen und kalte Getränke wunderbar genießen.
Bei „Markus Lanz“ geht es übrigens vor allem um die Krankenhausreform. Neue Argumente gibt es nicht.
Fina Geschonneck
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