03.07.2024
Pro Generika wird 20
Früher feierte Pro Generika seine Feste in der Landesvertretung von Baden-Württemberg – gut behütet von schwäbischem Sichtbeton und Gartenidyll. Zum zwanzigsten Geburtstag zieht es den Verband nun hinaus nach Mitte. Die Wartehalle am Nordbahnhof – beworben als Eventlocation – ist alles andere als beschaulich. Hier wirkt Berlin noch immer im Umbruch. Das aufwändig restaurierte Bahnhofsgebäude liegt mittendrin, unaufdringlich schick mit einer Freifläche für sommerliche Gäste. Es weht der Ernst des Lebens, die Jugend ist vorbei. Wie konnte es soweit kommen?
Generisch gesehen war die Welt vor zwanzig Jahren noch in Ordnung. Ab 2007 war dann alles anders. Seitdem herrscht der Rabatt. Als hätten sie es vorausgesehen, gründeten vier deutsche Unternehmen im Juli 2004 einen neuen Spartenverband für patentfreie Arzneimittel. Ein mutiges Unterfangen – an Pharma-Verbänden war die Republik schon reich gesegnet. Mit drei Experten aus der Verbandsszene (Hermann Hofmann), Politik (Peter Schmidt) und Industrie (Udo R. Klomann) ging Pro Generika dann an den Start und wurde zur originären Stimme der „nachahmenden“ Arzneimittelhersteller.
Seitdem hat die Branche bewegte Zeiten durchlebt. Viele Milliarden Rabatt hinterließen Spuren. Die ehemals bunte Generika-Industrie ist heute auf wenige Hochleistungsbetriebe zusammengeschnurrt. Bei Packungspreisen von unter einem Euro kann nicht jeder mithalten. Auch personell gab es einen Umbruch. 2011 übernahm Bork Bretthauer das Ruder, nachdem sein Vorgänger Peter Schmidt das Feld räumen musste. Schmidt war dem Kabarettisten Martin Sonneborn medienwirksam auf den Leim gegangen. Bretthauer ist seitdem das Gesicht von Pro Generika. Gelernt hat er das politische Geschäft bei Andrea Fischer (Grüne) und Cornelia Yzer (vfa). Als langjähriger Geschäftsführer lässt er es sich nicht nehmen, selbst durch den Jubelabend in der Wartehalle am Nordbahnhof zu führen.
Das Programm ist bunt und unterhaltsam. Der Vorsitzende Andreas Burkhardt berichtet, bei Pro Generika gebe es viel Engagement und „ganz wenig Ego im Raum“ – wohl ein Alleinstellungsmerkmal in der Berliner Szene. Im Pharma-Gipfel 2023 und dem ersten freundlichen Pharma-Gesetz (ALBVVG) erkennt Burkhardt eine Trendwende in der Gesundheitspolitik. Gleichzeitig macht er aus seinem Unverständnis kein Hehl. Als Unternehmer folge er der Logik: Analyse-Konzept-Entscheidung-Umsetzung. Die Logik der politischen Prozesse erschlösse sich ihm nicht in gleichem Maße.
Auch Festredner Franz Knieps vom BKK Dachverband lässt die gesundheitspolitische Logik eher im Dunkeln. Er berichtet lieber über seine Zeit mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Knieps lobt die Lobbyarbeit des Verbandes, weil sie immer mit validen Zahlen fundiert sei. Das Lob ist hochverdient, hat Pro Generika doch jahrelang tapfer die „Zahl des Monats“ verkündet. Heute sendet Pro Generika Botschaften mit Bildern. Pressechefin Anna Steinbach (abgeworben von der BILD) hat umgestellt auf einen Generika-Newsletter.
Im Programm geht es eher plastisch weiter. Lisa Budzinski erläutert, warum Hersteller von Generika und Bakterien im Darm eigentlich die gleichen Probleme plagen. Die Liebe der Science Slammerin gilt eindeutig den Darmbakterien. Ihre gedankliche Brücke zur Industrie wirkt manchmal etwas abenteuerlich. Wen kümmerts? Es zählt der Unterhaltungswert.
Aus der Verbändelandschaft ist Pro Generika nach zwei Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken. Mit gerade einmal sechs Mitarbeitern hat der Verband sich als feste Säule etabliert. Die Aufgaben in der Kommunikation sind enorm. Das Lauterbachsche Momentum in der Fiebersaftkrise („wir haben den Preisdruck überdreht“) hat Erwartungen geschürt. Vom Hype um die Forschung in Deutschland kann die Generika-Industrie nicht profitieren. Es geht schlichtweg um die Produktion von Abermilliarden Tagesdosen. Zu jeder Zeit auf höchstem Niveau. Auch darin liegt Musik. Generisch gesehen.
Sebastian Hofmann
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