Pflege stärken – Arbeitsbedingungen verbessern

Kordula Schulz-Asche MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Gesundheitsausschusses, Pflegeexpertin

„Mehr Fortschritt wagen“ haben sich die Ampel-Partner im Koalitionsvertrag vorgenommen. Knapp 180 Seiten voller Aufbruchsstimmung. Ein „vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitssystem“ definieren SPD, Grüne und FDP als eines der zentralen Zukunftsfelder. Doch, welche Aufgaben sehen die Gesundheitspolitiker des Bundestages für sich federführend? Was wollen sie politisch verändern, an welchen Stellschrauben drehen für ein verlässliches Gesundheitssystem? Heute bezieht Kordula Schulz-Asche MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Pflegeexpertin, Stellung zur Pflegepolitik.

 

Schon vor der Pandemie hatten wir die wachsenden Ausgaben wegen des strukturellen Reformbedarfs und der demografischen Entwicklung im Blick. Jedoch zeigt uns die Pandemie die Dringlichkeit und verschärft gleichzeitig die Situation. Die Flucht aus dem Pflegeberuf ist für viele Pflegefachkräfte nach mehreren Jahren aufopfernder Arbeit die letzte Lösung. Dem möchte die Bundesregierung entgegenwirken. Im Koalitionsvertrag haben wir zahlreiche Maßnahmen festgelegt, um die Pflege zu stärken.

Seit vielen Jahren arbeiten Pflegekräfte in chronischer Unterbesetzung im Krankenhaus und in der Langzeitpflege. Eine qualitätsgesicherte Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohner kann häufig nicht gewährleitet werden. Um dem entgegenzuwirken, wollen  wir eine verbindliche Personalbemessung – die PPR 2.0 – als eine schnelle Übergangslösung einführen. Folglich soll ein wissenschaftlich fundiertes Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument entwickelt und erprobt werden, um diesem Problem langfristig zu begegnen.

In der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt wird die Work-Life-Balance immer wichtiger. Zu dem Zweck, der Anstrengung eines doppelten Arbeitsweges und zerrissener Freizeiten zu entkommen, wollen wir die geteilten Dienste abschaffen. Außerdem soll es den Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern geben.

Des Weiteren gibt es teilweise hohe Verdienstunterschiede zwischen der Langzeit- und Krankenpflege. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, diese Gehaltslücken zu schließen.

 

Aufwertung der Pflegeberufe

Hinsichtlich der Förderung der akademischen Pflege bin ich froh, dass wir mit unseren Koalitionspartnern das neue akademische Berufsbild der „Community Health Nurse“ beschlossen haben. Damit lernen wir von unseren Nachbarländern und schaffen innovative Qualifizierungswege, die Pflegefachkräfte dazu befähigen, eigenständig heilkundliche Tätigkeiten auszuführen. Die primäre Gesundheitsversorgung kann gestärkt werden, gerade auch in ländlichen Regionen.

Berufsorganisationen der Pflege sind bisher in der Selbstverwaltung wenig vertreten, obwohl sie die größte Berufsgruppe im deutschen Gesundheitswesen sind. Das geht mit wenig Mitspracherecht, Gestaltungsmacht und politischer Berücksichtigung einher. Das wollen wir vor allem durch die Stärkung des Deutschen Pflegerats verbessern.

 

Unterstützung pflegender Angehöriger

Pflegende Angehörige sind in Deutschland eine der wichtigsten Säulen in der Versorgung älterer Menschen. Diese für die Gesamtgesellschaft wichtige Leistung, die jede und jeder Angehörige erbringt, muss von der Bundesregierung mehr unterstützt werden. Es beginnt bei der Ausgestaltung von innovativen quartiernahen Wohnformen, bei der die Kommunen verbindliche Mitgestaltungsmöglichkeiten haben sollen. Die veränderte Lebenswirklichkeit von Pflegebedürftigen spiegelt sich demnach in den Versorgungs- und Servicemöglichkeiten wider. Das Entlastungsbudget soll flexibler gestaltet werden, sodass häusliche Pflege weiter gestärkt wird. Im gleichen Atemzug wollen wir die Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege ausbauen.

Der Pflege wurde in den vergangenen Jahren nicht viel Beachtung geschenkt. Unser Koalitionsvertrag zeigt, dass diese Bundesregierung verstanden hat, dass sich etwas ändern muss. In dieser Legislaturperiode wollen wir die Weichen stellen, um die Pflege nachhaltig zu stärken und gleichzeitig eine bessere Versorgung älterer Menschen zu gewährleisten.

 

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