08.11.2023
Parlamentarischer Abend: „Was hilft?“ – eurocom fragt Allensbach
Hilfsmittel ist ein sprödes Wort. Aber Bandagen, Orthesen, Einlagen oder auch Kompressionsstrümpfe leisten sehr gute Dienste. Sie führen Menschen in die Teilhabe zurück, wie es Jürgen Gold, Vorstand von eurocom, trefflich formuliert. Vor 25 Jahren haben sich Unternehmen von Hilfsmitteln zusammengeschlossen zu einem Verein – als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt. Heute ist eurocom e. V. mit 40 Mitgliedsunternehmen die europäische Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel. Das muss gebührend gefeiert werden und zwar in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft.
Dass Hilfsmittel notwendig sind, verdeutlicht Jürgen Gold: 57 Prozent der Deutschen leiden unter Beschwerden am Bewegungsapparat; 90 Prozent haben Probleme am Venensystem. „Die Beschwerden sind täglicher Ansporn für unsere Arbeit“, sagt Gold.
Und sie wird anerkannt. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium Edgar Franke dankt in seiner Rede den Mitgliedern von eurocom. Die positiven Auswirkungen von Hilfsmitteln im Alltag der Menschen bleiben Franke nicht verborgen. Mobilität und Lebensqualität würden den Betroffenen zurückgegeben. Doch es sei noch viel zu tun. Mit der Medizinprodukteverordnung (MDR) der EU würde viel Bürokratie auf die Unternehmen zukommen. In den vergangenen zwei Jahren habe das BMG „gekämpft“, dass die Zertifizierungsfristen verlängert würden, Übergangsfristen greifen etc. Gerade die kleinen mittelständischen Unternehmen würden aufgrund der „Regelungswut“ leiden. Bürokratieentlastung, fairer Wettbewerb, Transparenz – darum gehe es, „die müssten ernst genommen werden“, so Franke.
Man müsse auch darüber diskutieren, welche „Evidenzlevel“ mit Blick auf die GKV sinnvoll seien. Erleichterungen sollten überlegt, über die Beweislastumkehr des medizinischen Nutzens nachgedacht werden. Ziel sei es, Innovationen leichter in den Markt zu bringen.
Und die werden von der Bevölkerung gebraucht, wie eine aktuelle Umfrage des Allensbach-Institutes zeigt. Die Zahl derer, die Schuheinlagen, Bandagen oder Kompressionsstrümpfe nutzen, erhöht sich, berichtet Michael Sommer vom Allensbach-Institut, das zum dritten Mal eine solche Untersuchung im Auftrag von eurocom durchgeführt hat. Mehr als 80 Prozent der über 1.000 Befragten sehen einen hohen bzw. sehr hohen Nutzen für sich mit deutlich weniger Beschwerden, also Schmerzen – und mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Die Betroffenen kehren früher zum Arbeitsplatz wieder zurück. Defizite gebe es allerdings, dass die Nutzer zu wenig Auswahl hätten. Nach Aussage von Sommer wird zudem mehr Beratung gewünscht.
Ausreichende Anregungen für die anschließende Diskussion mit Bundes-Gesundheitspolitikerinnen der Ampel und Unionsfraktion sowie der Geschäftsführerin von eurocom, Oda Hagemeier. Innovationen entwickeln, Qualität weiter verbessern – das seien die Prämissen für die Industrie. Und dies für einen guten Preis für die GKV. Die gegenwärtigen Rahmenbedingungen, gesetzt von der Politik, seien jedoch nicht einfach. Der Nachweis des medizinischen Nutzens dürfe sich nicht zu sehr an der Evidenz orientieren, fordert Hagemeier. Das mache auch Innovationen schwierig.
Mehrkosten sei ein weiteres Thema. Die Patienten seien dazu bereit. „Die Mehrkostenregelung ist ein sinnvolles Instrument“, bekräftigt die Geschäftsführerin. Weiterer Bereich und schwierig für die Unternehmen: die nicht enden wollende Bürokratie.
SPD-Politikerin Martina Stamm-Fibich hält von der Mehrkostenregelung nicht viel. Die qualitativen Produkte, die die Krankenkasse auch bezahle, müssten „in Ordnung“ sein. Simone Borchardt von der Union gibt Hagemeier hinsichtlich der Innovationen-Problematik recht. Es dauere zu lange, bis neue Produkte auf den Markt kommen. Stamm-Fibich wiederum meint, dass man das Hilfsmittelverzeichnis nicht so einfach „ausmisten“ könne. Sie kündigt in diesem Zusammenhang an, dass eine Vereinfachung der Präqualifizierung für sonstige Leistungserbringer, darunter Sanitätsfachhändler, kommen könnte. „Ich glaube, dass bekommen wir hin. Was ist jedoch, wenn das Thema Präqualifizierung durchlaufen ist?“ Verbindliche Rahmenverträge seien notwendig.
Grünen-Politikerin Linda Heitmann sei froh, wenn die Produkte evidenzbasiert seien. Bei Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen müsse man jedoch schneller innovative Produkte verordnen können. Dies müsse gesetzlich geregelt werden. Kristine Lütke, FDP, die mit ihrer Familie eine Pflegeeinrichtung betreibt, weiß um die Bedeutung von Hilfsmitteln. „Eine tolle Sache“, so Lütke. Sie fordert, dass die Leistungserbringer bei Hilfsmittelentscheidungen mit einbezogen werden.
Genug Stoff, bei einem wohlschmeckenden Essen und hervorragend ausgesuchten Getränken das Thema Hilfsmittel zu vertiefen – und eurocom zu feiern.
Fina Geschonneck
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