„Novellierung Psychotherapeutengesetz“: weder evaluiert, noch finanzierbar

Dr. med. Christian Messer, Präsident Bundesverband Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (BDPM) e.V.

Der Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Reform des Psychotherapeutengesetzes vom Sommer 2017 ist ein Strukturreformgesetz des Gesundheitswesens. Basierend auf der Einführung eines neuen, generalistischen, approbierten Heilberufs auf dem Niveau eines klinischen Psychologen soll sich in allen Sektoren des Gesundheitswesens ein neues psychologisches Versorgungssystem mit vielfältigen spezialisierten Gebieten entfalten und ohne Einhaltung bisheriger Grenzen weiterentwickeln. Dabei soll dieser neuartige Heilberuf gesetzliche Zuständigkeit für alles Psychische und Psychosomatische erhalten.

Dieses welt- und europaweit einmalige Projekt ist weder evaluiert, noch in seinen Auswirkungen erfassbar, geschweige denn finanziert.

Motiviert scheint dieses Strukturreformprojekt durch berufspolitische und konzernbetriebene Partikularinteressen sowie das Bestreben von Teilen der Politik, die Qualifikationswege primär spezialisierter Heilberufe an die Ausbildung des Arztes als Generalist in der gesamten Heilkunde mit anschließender Spezialisierung anzugleichen. Das ist ein Irrweg, so auch der größte psychologische Berufsverband.

Es handelte sich jedoch keinesfalls um ein „Direktstudium Psychotherapie“. Ausgebildet würde nur ein klinischer Psychologe mit Approbation, der die Qualifikation zum Psychologischen Psychotherapeuten erst noch erwerben muss. So soll zunächst ein Bachelor in Psychologie, sodann ein Master in klinischer Psychologie ausgebildet und später approbiert werden. Erst daran soll sich postgradual eine Weiterbildung unter anderem zum Psychologischen Psychotherapeuten anschließen, übrigens weiterhin an den derzeitigen Ausbildungsinstituten. Denn Psychotherapie ist den Universitäten und den Kliniken weitgehend fremd und kann zumindest dort nicht erlernt werden. Daher hat das einzig bislang vorliegende, von der Bundesregierung selbst in Auftrag gegebene Forschungsgutachten von Strauß et al. von einer universitären und Klinikausbildung eindeutig abgeraten und die Weiterentwicklung des derzeit praktizierten und evaluierten dualen Ausbildungssystems angeregt, dem eine weltweit erstklassige Qualität bescheinigt wurde.

Die notwendige Angleichung der Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten an europäische Standards und die Bezahlung graduierter Akademiker in den Kliniken sind in Wirklichkeit ohne Strukturreformgesetz leicht lösbar und dienen lediglich als Zweckargumente. Beides hätte schon längst umgesetzt werden müssen. Doch die in den Kliniken arbeitenden Psychologen werden von ihrer eigenen Kammer und einigen Verbänden in Geiselhaft genommen, um so eine Strukturreform durchzusetzen.

Dagegen hat jetzt die Deutsche Ärzteschaft in Erfurt einstimmige Beschlüsse gefasst, in denen das BMG aufgefordert wird, den vorliegenden Arbeitsentwurf zurückziehen und die Novellierung in dieser Form nicht weiterzuverfolgen. Das europa- und weltweit einmalige Projekt der Approbation eines klinischen Psychologen ist weder finanziert, noch evaluiert und findet in der Fachöffentlichkeit und bei denen, die an der Behandlung psychisch und psychosomatisch erkrankten Menschen beteiligt sind, in der derzeitig vorliegenden Form auch zukünftig keine Chance einer tragfähigen Mehrheit. Die auf dem DÄT in Erfurt einstimmig gefassten Beschlüsse sind hierzu eindeutig. Der Deutsche Ärztetag spricht für alle Ärzte, auch für seine ca. 20.000 im System der Ärztekammern repräsentierten Psychotherapeuten.

Darüberhinausgehend lehnen zahlreiche andere Organisationen und Verbände diesen Arbeitsentwurf grundlegend oder in wesentlichen Teilen ab.


Observer Gesundheit Copyright
Alle Kommentare ansehen