14.01.2025
Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft – ohne Gastgeber KBV und KV Berlin























Der Neujahrsempfang 2025 der deutschen Ärzteschaft im Berliner KaDeWe ist nicht nur der Erste und für viele der Wichtigste. In diesem Jahr ist er auch der Spannendste. Denn Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und KV Berlin haben sich als Gastgeber ausgeklinkt. Es bleiben Bundesärztekammer und Ärztekammer Berlin. Wer kommt, wer redet, und wie ist die Organisation? Um es vorweg zu nehmen: ein voller Erfolg für die Veranstalter.
Ein grandioser Abend mit vielen Politikern, einem launigen Noch-Bundesgesundheitsminister auf Wahlkampftour und aufgeräumten Gästen. Und einem Jubilar: Prof. Dr. Andreas Lehr wird 60.
Kein Anstehen in der Kälte, kein Gedrängel an der Garderobe: Beginn der Veranstaltung nicht 20.30 Uhr wie in den Jahren zuvor, sondern 18.30 Uhr. Der Anfang ist gemacht. Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt beginnt kurz nach 19 Uhr mit seiner Rede. Er kritisiert die zunehmende Polarisierung des politischen Diskurses in der Gesellschaft mit Informationsmanipulationen und einen erheblichen Bedeutungsverlust historisch gesellschaftlicher Referenzen von Gesellschaften. Und in solchen Zeiten sei es gut, miteinander im Gespräch zu bleiben.
Mit Blick auf die Arbeit der Ampel falle seine persönliche Bilanz differenziert aus. In einigen Bereichen habe er sich mehr gewünscht – auch aufgrund des Bruchs der Koalition sei dies nicht realisiert worden. Reinhardt zählt auf: die Reform der Akut und Notfallversorgung, der von der Ampel geplante Wegfall der Budgets im hausärztlichen Bereich, die Bagatellgrenzen bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die Regulierung des Zugangs von Fremdkapitalgebern im niedergelassenen Bereich.
Besonders ernüchternd sei, dass für die niedergelassenen Ärzte in dieser Legislaturperiode „eigentlich fast nichts Besonderes“ erreicht worden sei. Beim Bürokratieabbau sei man keine wesentlichen Schritte weiter. Reinhardt nennt das Krankenhaus-Transparenzgesetz, da sei der Gesetzgeber beim Bürokratieabbau wieder zwei Schritte zurückgegangen.
Doch es gibt auch Lob. Reinhardt nennt die Digitalgesetze, die endlich Bewegung in die längst überfällige Digitalisierung des Gesundheitswesens gebracht haben. In der elektronischen Patientenakte ist nach Aussage von Reinhardt grundsätzlich enorm viel Potenzial. „Sie kann einen echten Mehrwert für die Patientenversorgung in Deutschland bieten und Patientensicherheit in umfänglichem Sinne dienen.“ Voraussetzungen seien jedoch Sicherheit und praktikable Anwendung: „In dieser Hinsicht gibt es vor dem bundesweiten Rollout der Akte noch einiges nachzuholen.“ Die Krankenhausreform sei gut, müsse aber angepasst werden. Eine gründliche Überarbeitung mit allen Akteuren sei das Ziel in der kommenden Legislatur.
Reinhardt erteilt der Bürgerversicherung, die die SPD anstrebt, eine Absage. Er empfehle dringend eine Studienreise nach England. „Dort können Sie das Scheitern von Staatsmedizin hautnah besichtigen und lernen“, sagt Reinhardt. Sein Wunsch an das „politische Personal“; nicht Unhaltbares versprechen, sondern ruhig, besonnen und verständlich die Herausforderungen der Gesellschaft erklären.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beginnt seine Ausführung mit einem Dank an die Ärzte. In diesem Zusammenhang lobt er vor allem die klare Botschaft der Bundesärztekammer mit Blick auf „populistische Parteien, die aus der Demokratie heraus die Demokratie aushöhlen wollen, die sich mit den politischen, demokratischen Prozessen nicht wirklich abfinden und sich eine andere Gesellschaft wünschen.“ Die Ärzte hätten eine „wichtige Verantwortung, die Sie für das Wohl tragen und der Sie gerecht werden“, so der SPD-Politiker.
Lauterbach will augenscheinlich aufräumen mit der Kritik, dass die Selbstverwaltung nicht genügend einbezogen worden sei bei der Diskussion um Reformen und Gesetze: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Sie damals nicht sofort als Experte willkommen geheißen hätte“, betont Lauterbach Richtung BÄK-Präsident. Viele Gäste können sich ein Lachen nicht verkneifen. Und Lauterbach fügt hinzu: „Aber, wenn dem so gewesen ist, dann haben Sie sich Ihren Status erkämpft.“ Der Minister habe die Ratschläge „immer nicht nur gerne gehört, sondern auch berücksichtigt.“ Ein zweites Gelächter geht durch den Raum.
Und dann beginnt die Wahlkampfrede. Insgesamt 19 Gesetze habe Lauterbach auf den Weg gebracht. Die Telemedizin sei stark ausgebaut worden mit e-Rezept, e-AU. Die ePA müsse kommen, „nur, wenn sie sicher ist.“ Lauterbach nennt weiter als Erfolg das Medizinforschungsgesetz und arbeitet daran, „ob es uns in dieser Legislaturperiode sogar noch gelingt, die Entbürokratisierung und die Entbudgetierung der Hausärzte auf den Weg zu bringen.“
Hinsichtlich Prävention stimme er Reinhardt zu, dass man über das gesunde Herz hinausgehen und auf andere Bereiche ausdehne müsse. Jedoch habe er mit dem GHG Akzente setzen wollen. Lauterbach dankt dem G-BA, der die wichtigsten Bausteine umgesetzt habe. „Hier hat die Selbstverwaltung ein Gesetz umgesetzt, was wir in der Politik nicht mehr haben leisten können.“
Der SPD-Politiker zeigt sich zum Schluss überrascht, dass Klaus Reinhardt die Reform der GOÄ in seiner Rede ausgelassen habe. Wenn das Amt des Gesundheitsministers niemand haben wolle oder zitiert: „Sollte das Amt wieder bei mir landen, dann sage ich Ihnen zu, werde ich mich sehr frühzeitig um die Überarbeitung der GOÄ kümmern – nehmen Sie es zu Protokoll.“ Die GOÄ sei „tatsächlich ein bürokratischer Irrsinn, die Überarbeitung ist dringend notwendig.“
Die Lacher lassen nicht lange auf sich warten, ehe der Berliner Ärztekammerpräsident Peter Bobbert als zweiter Veranstalter das Buffet eröffnet: ohne Hummer und Scampis mit einer „kulinarischen Reise durch Europa“, wie es heißt. Trotz Fernbleiben der KBV und seines Vorstandes ist der Abend lang und amüsant. Glückwunsch für einen gelungenen Neujahrsempfang.
Fina Geschonneck
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