Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (2.v.l.) macht seine Politik beim Neujahrsempfang der Ärzteschaft im KaDeWe deutlich gegenüber Stephan Hofmeister (l.), Andreas Gassen (2.v.r.) (beide KBV) und Klaus Reinhardt (Bundesärztekammer) (r.).
Klaus Reinhardt (Bundesärztekammer) liegt eine humane Patientenversorgung am Herzen.
Edgar Franke MdB (SPD) (l.) gut gelaunt mit Tino Sorge MdB (CDU)
Rhetorisch sehr gut mit intensiver Artikulation präsentierte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
KZBV und apoBank gemeinsam: Karl-Georg Pochhammer, Wolfgang Eßer (beide KZBV), Martin Steinkühler, Olaf Klose (beide apoBank), Martin Hendges (KZBV) (v.l.n.r.)
Hatte viel zu lachen beim Empfang: Andreas Gassen (KBV)
Martin Litsch (AOK Bundesverband) (M.) mit Ute Repschläger (r.) und Björn Pfadenhauer (l.) (beide IfK)
Christine Aschenberg-Dugnus MdB (FDP) mit Edgar Franke MdB (SPD)
Ulrike Elsner (vdek), Jürgen Hohnl (IKK e.V.), Cornelia Gatzweiler (SPD-Fraktion), Bärbel Bas MdB (SPD) (v.l.n.r.)
PKV und GKV hier einmal gemeinsam: Doris Pfeiffer (GKV-Spitzenverband) , Florian Reuter (PKV Verband)
Vielleicht ein Austausch zu Gesundheits-Apps von Karl Broich (BfArM) (l.) und Erwin Rüddel MdB (CDU)
Aufmerksame Zuhörer
Jürgen Windeler (IQWiG) mit Alexander Schmidt-Gernig (BMG) (r.)
Dirk Heinrich (SpiFa) mit Ellen Lundershausen (Landesärztekammer Thüringen)
Ärztefunktionäre unter sich mit Stephan Hofmeister, Andreas Gassen (beide KBV), Frank Ulrich Montgomery (Weltärztebund), Klaus Reinhardt (Bundesärztekammer), Thomas Kriedel (KBV) (v.l.n.r.)


Danke – das war das wohl meistgesagte Wort in den Reden beim diesjährigen Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft im KaDeWe am 16. Januar. Ob bei Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt oder KBV-Vorstandsvorsitzendem Dr. Andreas Gassen. Doch wohl am überzeugendsten kam es aus dem Mund von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn; gerichtet auch an die Ärzteschaft. Nur wenige Stunden vorher musste der CDU-Politiker eine nicht unerhebliche Schlappe im Bundestag einstecken – bei der Entscheidung für die Organspende. Sein mit SPD-Politiker Karl Lauterbach initiierter Gesetzesentwurf zur doppelten Widerspruchslösung fiel bei dem überwiegenden Teil der Abgeordneten durch. Entschieden wurde sich für die Entscheidungslösung. Wer glaubte, Spahn war die Niederlage anzumerken, der irrte. Seine Rede war ein Plädoyer für „gute Debatten trotz unterschiedlicher Meinung“: rhetorisch gekonnt, emotional überzeugend.

Spahn bedankte sich bei der Bundesärztekammer (BÄK), „aber auch den vielen Verbänden und Ärzten“, die diese Debatte intensiv begleitet hatten. Dr. Klaus Reinhardt, Bundesärztekammerpräsident, bedauerte wenige Minuten zuvor persönlich die Abstimmungsentscheidung: Sie zeige, dass „das Nehmen in der Gesellschaft ein wenig ausgeprägter sei als das Geben“. Reinhardt ließ offen, ob diese Lösung mehr Organspenden bringen. „Mag sein, dass das Thema bald noch einmal auf der Agenda steht.“ Anders der Bundesgesundheitsminister: „Es geht nicht um Sieg oder Niederlage“, sagte er. Vielmehr um Patienten, in der Not zu helfen. Es sei ein „Wert an sich“, dass über Organspende gesellschaftlich diskutiert werde. Dies sei ein wichtiges Signal für jene, die auf ein Organ warten. „Wir sehen euch, wir sehen euer Leid, wir haben euch nicht vergessen“, rief Spahn in den Saal und erntete großen Beifall.

Obwohl sein Vorschlag – und auch der der BÄK – keine Mehrheit gefunden habe, werde er jetzt alles tun, um die Organspenden zu erhöhen, das Informationsmaterial prüfen, sich beim Aufbau eines Online-Registers einbringen. Dieser Tag sei „ein guter“, betonte Spahn; mit einer Debatte „voller Respekt“. Davon wünsche er sich mehr, wo schnell „apokalyptisch“ agiert werde. Jeder poche auf seine Meinung, rede vom Untergang. Die Aussprache zur Organspende habe aber gezeigt: „Ja, wir können eine gute Debatte führen, unterschiedlicher Meinung sein, Emotionen austauschen, aber am Ende treffen wir eine Entscheidung im Sinne der Patienten.“ Ein „gutes Beispiel“ für andere Diskussionen.

Ein weiterer Dank ging an die KBV für die Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Es sei „stark“, was die KBV und KVen mit der 116117 entwickelt hätten. Das eine sei eben die gesetzliche Grundlage, das andere die mühsamen Verhandlungen, dies mit den verschiedensten Partnern umzusetzen, meinte der CDU-Politiker.

Doch bei einer Rede von Spahn darf natürlich auch die Würdigung seiner eigenen Arbeit nicht fehlen. 20 Gesetze habet er auf den Weg gebracht. Um die Zahl gehe es ihm nicht, sondern um den „qualitativen Unterschied“ in der Patientenversorgung. Spahn, der Macher: Wenn er ein Problem sehe, „will ich eine Lösung“. In den vergangenen Monaten habe er eine Reihe davon erblickt: „Das hat zu zahlreichen Lösungsvorschlägen geführt“. Und sogleich bedankte sich der Minister wiederum bei der Ärzteschaft über die „manchmal mühsame Umsetzung“ dieser Vorschläge, die auch zur Verärgerung geführt hätten. Das Vertrauen der Bürger gilt es, wieder zu gewinnen, wie bei den Lieferengpässen von Medikamenten. Und dafür stehen Themen, wie die Reform der Notfallversorgung, Approbationsordnung oder jene in der Pflege an.

Beim Lieblingsthema Digitalisierung – seit 15 Jahren stehe die ePA im SGB V, ohne dass etwas passiere – bat Spahn bei den Einladenden um Unterstützung. „Konstruktive Kompromisse“ gelte es zu finden, aus dem „abstrakten Versprechen“ müsse etwas „Konkretes“ werden. Die Akzeptanz steige nicht dadurch, dass die Ärzte alle an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen würden. Die ePA müsse angewendet, Online-Sprechstunden eingeführt werden. „Ich bitte Sie, mit mir zusammen, konstruktiv Geschwindigkeit in die Digitalisierung zu bringen“, so seine Aufforderung.

Kritisch merkte Spahn an, dass die Debatte hitzig und groß sei, wenn im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) vorgesehen sei, Abrechnungsdaten, anonymisiert, von Patienten für Forschungszwecke zu verwenden. Würden aber amerikanische Großkonzerne Gesundheitsdaten umfassend abgreifen, gebe es keine Diskussion, „nirgends“. Sein Fazit: „Wenn wir ein Grundvertrauen in amerikanische Konzerne haben, aber ein Grundmisstrauen in den eigenen Staat, dann wird das mit der Digitalisierung nichts.“ Mit Lust und Engagement müsse an das Thema gegangen werden.

KBV-Chef Andreas Gassen sicherte das schon mal zu. „Selbstverwaltung kann auch schnell“, sagte er. Debatte sei wichtig und keine leere Worthülse. Er freue sich, wenn Entscheidungen damit beeinflusst werden könnten und nehme die Herausforderung an. Ob er dabei den Referentenentwurf zur Notfallversorgung im Blick hat? Man könnte es vermuten, wo die KBV glasklar als Gewinner hervorgegangen ist – bei der geplanten fachlichen Verantwortung der Integrierten Notfallzentren, die gemeinsam mit Kliniken betrieben werden sollen.

Auch BÄK-Präsident Klaus Reinhardt lobte den Schwerpunkt auf die Digitalisierung als „große Entscheidung“. Damit zeige sich, wie zukunftsfähig die Gesellschaft sei. Reinhardt widmete sich kurz der stationären Versorgung. Eine angemessene Bündelung von Krankenhäusern stehe auf der Tagesordnung. Jede Klinik zu halten, müsse nicht sein. Die ärztliche Versorgung, so seine Aufforderung, müsse auf dem humanen Prinzip beruhen.

„Alle haben sich ja wieder sehr lieb – es ist kaum auszuhalten“, meinte anschließend lakonisch ein Gast als Reaktion auf die drei Redner. Und er mag Recht haben: kein böses Wort oder eine kleine Spitze, vergessen die scharfe Kritik der Ärzteschaft vor einem Jahr wegen des TSVG. Da konnte in Ruhe gegessen und gescherzt, die großen und kleinen Themen gewälzt werden am Buffet, das sich großer Beliebtheit erfreut hatte. Wie jedes Jahr.

 

Fina Geschonneck 


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