Nach drei Jahren Abstinenz: Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft im KaDeWe

„Wir sind die Guten“, sagt KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen während der einführenden Worte.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher, der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holletschek, BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und Peter Bobbert, Präsident der Berliner Ärztekammer (v.l.n.r.)
Wirbt für ein Miteinander mit den Ärzten – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei seiner Rede
Blick auf die Gäste des Empfangs der Deutschen Ärzteschaft im Berliner KaDeWe
BÄK-Präsident Klaus Reinhardt wirbt für eine Reform der GOÄ.
BÄK-Präsident Klaus Reinhardt übergibt als Geschenk einen Stick an den Bundesgesundheitsminister: die neue GOÄ mit kalkulierten Preisen seitens der Ärzteschaft.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: Daumen runter für die GOÄ-Reform nach der symbolischen Übergabe seitens des BÄK-Präsidenten Klaus Reinhardt auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft
Stephan Hofmeister (KBV), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Klaus Reinhardt (BÄK), Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher, Andreas Gassen (KBV), Ulrich Baumgärtner (Sanitätsdienst der Bundeswehr) (v.l.n.r.)
Die Berliner Gastgeber des Neujahrsempfangs: Christiane Wessel (KV Berlin) und Peter Bobbert (Ärztekammer Berlin)
Petra Reis-Berkowicz (KBV) (l.) mit Ellen Lundershausen (BÄK)
Günter Scherer (KV Berlin) (l.) und Thomas Ballast (TK)
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher fühlt schon mal Richtung Krankenhausreform beim bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (l.) vor. Abwartend dabei der Bundesgesundheitsminister (r.).
Tino Sorge MdB (CDU), Nicola Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier (beide Deutscher Hausärzteverband) sowie Christine Aschenberg-Dugnus MdB (FDP) (v.l.n.r.)
Gebhard Hentschel (DPtV), Ilona Köster-Steinebach und Dietrich Munz (beide BPtK) (v.l.n.r.)
Fehlt auf fast keinem Event: BMG-Staatssekretär Edgar Franke mit Ellen Lundershausen (BÄK)
Drei, die sich lange kennen: Ulrich Weigeldt (Deutscher Hausärzteverband), Andreas Gassen und Stephan Hofmeister (beide KBV) (v.l.n.r.)


Wer am 19. Januar abends am KaDeWe in der Berliner City West entlanggeht, staunt nicht schlecht. Bei eisigen Temperaturen stehen zahlreiche Frauen und Männer in einer Reihe, um zu später Stunde Einlass in das Kaufhaus zu finden. Sie sind Präsidenten, Verwaltungsratsvorsitzende, Geschäftsführer, Direktoren, Abteilungsleiter oder Vorstandsvorsitzende – Führungskräfte aus dem Gesundheitswesen sowie Politiker von Landes- und Bundesebene. Und sie harren aus, eng zusammengerückt: kein Murren, kein lautes Wort. Drei Jahre warten sie bereits. Endlich findet an diesem Abend der Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft wieder statt – der ganz besondere, das Highlight des Jahres. Geladen haben Bundesärztekammer und KBV, Ärztekammer Berlin und KV Berlin.

KBV-Vorstandsvorsitzender Andreas Gassen hält 2023 die Ansprache. Die Corona-Pandemie sei vorbei. Man könne einen geselligen Abend ohne Abstandsgebote und Masken in angenehmer Atmosphäre verbringen. Kein Muss, aber man kann, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seiner Maske zeigt.

Auf der anderen Seite sei seit elf Monaten in Europa Krieg – und ein Ende sei nicht in Sicht, sagt KBV-Chef Gassen. Seit dem zweiten Weltkrieg habe es nicht so viele Menschen auf der Flucht gegeben – acht Millionen Menschen hätten die Ukraine verlassen, mehr als eine Million Menschen sei nach Deutschland gekommen. Und ein Drittel seien Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen würden psychotherapeutische Hilfe benötigen. Gassen dankt seinen Kollegen, die helfen, und erntet dafür Beifall der Gäste. Der wichtigste Wunsch sei für ihn, dass die Ukraine zu Souveränität und Frieden zurückfinde; beim dann anstehenden Aufbau des Gesundheitswesens werde die deutsche Ärzteschaft ihren Beitrag leisten, betont er, wenn die Hilfe gewollt sei.

Vieles sei während der Pandemie liegengeblieben, darunter die Reform der Akut- und Notfallversorgung. Die Reform der Krankenhäuser habe zumindest auf dem Papier begonnen.

 

Andreas Gassen: „Wir sind die Guten“

Gassen wünsche sich vor allem Mut bei der Weiterentwicklung des Konzepts sowie faire Bedingungen für alle Leistungserbringer: ambulant und stationär – statt der Errichtung neuer Jägerzäune. Mit „endlich gleich langen Spießen“ könne die Ambulantisierung gelingen.

Die Entbudgetierung von Leistungen bei den Kinderärzten höre man im KV-System gern. Sie dürfe jedoch nicht zeitlich befristet sein und auch nicht nur für eine Fachgruppe gelten. Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten hätten ebenso ein Recht darauf – dann habe man „weniger Druck im System“.

Lauterbach habe die Entökonomisierung als Primat aller Fehlentwicklungen gegeißelt. „Schluss mit den Dauerrabatten der ambulanten Versorgung“, fordert Gassen. „Punktsummenneutralität“ – so könne das medizinische Unwort des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts auch heißen. Die Stärkung der ambulanten Versorgung gehe nicht zum Nulltarif. Man brauche keine Gesundheitskioske, wenn die ambulante Versorgung funktioniere, das sei lästig. „Kioske sind geeignet, um Zeitungen zu verkaufen und Süßwaren“, betont der KBV-Chef.

„Wir sind die Guten“, meint er denn Richtung des Ministers, der Verbände und Institutionen gern mal als Lobbygruppen betitelt. Man vertrete nicht nur die Interessen der Patienten: „Wir haben diesen Auftrag auch per Gesetz.“ Und eine kleine Spitze kann sich der KBV-Vorstandsvorsitzende dann doch nicht verkneifen. „Auch Praktiker haben Expertise, nicht nur Wissenschaftler“, spricht er den Minister dann an.

 

Karl Lauterbach: Erinnerung an ein Foto mit Hummer in Blattgold

Der plaudert zu Beginn seiner Rede, dass er wohl zu denen gehöre, die am häufigsten an diesem Empfang teilgenommen hätte. Er erinnere sich an die ersten Male: „Sie waren nicht immer leicht.“ Damals habe Ulla Schmidt ihn um eine Vertretung gebeten, nachdem sie gesagt habe, „sie könne nicht alle von Ihnen zu Millionären machen.“ Es sei ein schwerer Gang gewesen.

Den schlimmsten Shitstorm, den er je erleben musste, habe er übrigens KBV-Chef Andreas Gassen zu verdanken. Er habe ihn, Lauterbach, verleitet, ein Stück Hummer zu essen. Und es sei auf einem Foto vorgetäuscht worden, der Hummer sei mit Blattgold belegt. Dieses Bild sei ins Netz gestellt worden. „Das hat Wochen gekostet“, da raus zu kommen. Er werde alles essen, „aber keinen Hummer“. Und es wird herzlich gelacht.

Und dann fällt Lauterbach wieder in seinen Ankündigungsmodus. Man sei „am Vorabend großer Veränderungen“. Das Gesundheitssystem sei lange Zeit nicht mehr gründlich reformiert worden. Gebraucht würden große Reformen, weniger Ökonomie. Das gelte für die Krankenhäuser, für die Arzneimittel und die niedergelassene Medizin. Einhergehen werde dies mit einer besseren Qualität, werde aber auch dazu führen, dass die Arbeit in dem System attraktiver werde. „Mehr Medizin, weniger Ökonomie, für eine bessere Versorgung“, so der Leitspruch des SPD-Politikers.

Zuerst werde dies bei der Versorgung der Kinder realisiert. Über 150 Kinderabteilungen habe man verloren. „Wir haben sofort reagiert.“ Nun würden die Kinderarztpraxen komplett entbudgetiert, und bei den Rabattverträgen würde die Kindermedizin herausgenommen und Festbeträge abgeschafft werden.

Die Zahl der Medizinstudierenden müsse deutlich erhöht werden. Die Länder seien derzeit nicht bereit, mehr dafür zu bezahlen, sagt Lauterbach. Ärzte aus ärmeren Ländern würden abgezogen, wo sie dringend benötigt würden. Das sei eine unethische Art und Weise. Zusätzlich würden 5.000 Medizinstudienplätze benötigt.

Eine neue Approbationsordnung stehe an, geeinigt habe man sich mit den Ländern. In diesem Frühjahr werde ein Entwurf vorgelegt. Man werde ein Gesetz zur Entbürokratisierung vorlegen. „Ich verspreche hier – das wollen wir gemeinsam mit Ihnen entwickeln“, sagt er zu den Ärzten.

Gebraucht werde eine große Krankenhausreform. Bis zum Sommer wolle man „Eckpunkte mit Konturen“ vorlegen.

Ein Neustart der Digitalisierung wird auch gestartet. Und dann widmet sich Lauterbach noch den Gesundheitskiosken. Da sei Gassen mit seiner Sichtweise „völlig im Unrecht“.

 

Klaus Reinhardt präsentiert Stick mit neuer GOÄ

Zum Schluss präsentiert Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt „ein kleines Gastgeschenk“; ein Stick, nett verpackt in einer blauen Schachtel mit BÄK-Logo. Die GOÄ sei drin mit allen „einseitig von der Ärzteschaft kalkulierten Preisen“. Man werde dafür sorgen, dass hier niemand übervorteilt werde.

Der Minister macht gute Miene zum nicht so schönen Spiel. Bisher hat er mit Verweis auf den Koalitionsvertrag der Ampel eine Reform abgelehnt.

Reinhardt wird energisch. Als Verordnungsgeber sei Lauterbach aufgefordert und verpflichtet, eine neue Gebührenordnung zu erlassen. Die BÄK bleibe dran und lasse auch bei diesem Thema nicht nach. Ob sie damit zumindest unter diesem Minister Erfolg hat, darf infrage gestellt werden. Bereits kurz danach twittert Lauterbach: „Hier gibt mir Präsident der Bundesärztekammer einen Stick mit komplett neuer GOÄ, Preise für Privatpatienten. Wird geprüft, keine Zusage.“ Das Foto der Übergabe spricht demgegenüber eine andere Sprache: Der Daumen des Ministers geht nach unten.

Der Hummer ist an diesem Abend übrigens bereits eine halbe Stunde nach Eröffnung des Büffets nicht mehr zu haben. Egal, zu essen gibt es reichlich – wie auch eine Vielzahl von Getränken. Die Schlange wiederholt sich übrigens – dieses Mal, um sich die Winterjacken – oder -mäntel abzuholen. Einige, wie DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß oder GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer, haben es augenscheinlich sehr eilig und suchen sich eigenständig ihre Bekleidungsstücke – begleitet von umliegenden freundlichen Kommentaren. Ein Abend, der in allen seinen Facetten noch lange in Erinnerung bleibt.

 

Fina Geschonneck


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