Mehr Sicherheit für die Patienten lohnt sich für ein Krankenhaus auch finanziell!

USA-Studie untersucht den Zusammenhang von Patientensicherheitsmaßnahmen und Wirtschaftlichkeit in Krankenhäusern



In den USA ist es bereits gang und gäbe, dass Krankenhäuser mit finanziellen Sanktionen bei einem Verstoß gegen Vorgaben zur Patientensicherheit rechnen müssen. Beispielsweise erhalten US-Krankenhäuser eine reduzierte Vergütung für Behandlungen, die nachweislich auf den Krankenhausaufenthalt zurückzuführen sind (z.B. Fremdkörper, die nach einer Operation im Körper verbleiben). Die finanziellen Sanktionen erhöhen den Druck auf die Krankenhäuser, Qualitätssicherungsstandards umzusetzen. Der daraus resultierende positive Effekt für die Patientensicherheit wird jedoch von den hohen Kosten überschattet, die ein Krankenhaus dafür aufbringen muss. Endet für ein Krankenhaus die breite Implementierung von Patientensicherheitsmaßnahmen damit automatisch in einem finanziellen Verlust? Eine Studie [1] aus den USA untersucht erstmalig, wie sich die Effekte von Patientensicherheitsmaßnahmen finanziell auf ein Krankenhaus auswirken.

Medizinische Behandlungsfehler zählen in den USA zu einer der häufigsten Todesursachen [2]. Gleichzeitig verursachen solche vermeidbaren Lücken in der Patientensicherheit jährlich Kosten in Höhe von $ 154.000 Millionen [3]. Um die Patienten vor solchen Fehlern zu schützen und um langfristig Kosten für vermeidbare Fehler in der medizinischen Versorgung einzusparen, ist die Einführung von Patientensicherheitsmaßnahmen unumgänglich. Die zentrale Zielsetzung zur Patientensicherheit besteht darin, die sektorübergreifende Anschlussversorgung für die Patienten sicherzustellen und Behandlungsfehler sowie vermeidbare Wiedereinweisungen zu verhindern. Patientensicherheitsmaßnahmen können daher sehr vielfältig sein – angefangen bei der Sicherstellung einer adäquaten Dokumentation in der Patientenakte bis hin zu einem gut strukturierten Entlassungsmanagement.

Die Patientensicherheitsleistung ist eine Form der Beurteilung zur Patientensicherheit und gibt Aufschluss darüber, in welchem Ausmaß ein Krankenhaus Beiträge zur Patientensicherheit leistet. Die Einführung einer Patientensicherheitsmaßnahme (z.B. Entlassungsmanagement) ist ein entscheidender Beitrag zur Patientensicherheit und kann somit die Sicherheit für Patienten erhöhen. Eine hohe Patientensicherheitsleistung spiegelt somit eine hohe Gewährleistung von Patientensicherheit durch ein Krankenhaus wider. Nachweisen lässt sich eine hohe Patientensicherheitsleistung beispielweise durch eine niedrige Behandlungsfehlerquote, die unter anderem durch eine nachhaltige Dokumentation in den Patientenakten begünstigt werden kann. Damit lassen sich z.B. Fehler bei der Medikamentenausgabe vermeiden. Sofern ein Krankenhaus eine hohe Patientensicherheitsleistung aufweist, reduziert es die Anzahl an Behandlungsfehlern und dadurch auch gleichzeitig die damit verbundenen Kosten.

Diese Kostenreduktion durch die Gewährleistung von einer hohen Patientensicherheit mündet nach Beauvais et al. [1] in einem finanziellen Gewinnzuwachs für das entsprechende Krankenhaus. Beauvais et al. [1] gehen in ihrer Studie davon aus, dass Krankenhäuser mit einer hohen Patientensicherheitsleistung eine höhere Wirtschaftlichkeit aufweisen im Vergleich zu Krankenhäusern mit einer niedrigen Patientensicherheitsleistung.

 

Studiendesign

Im Rahmen der Studie wurden zwei Datensätze zusammengeführt, um zu untersuchen, wie sich die Höhe von Patientensicherheitsleistung auf die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses auswirkt.

Der erste Datensatz umfasst Informationen zu Finanzkennzahlen von ca. 6.400 US-Krankenhäusern für den Zeitraum 1946 bis 2014. Für die Studie wurden aus diesem Datensatz die Daten aus dem Jahr 2014 eingeschlossen.

Die Daten für den zweiten Datensatz wurden zwischen Juli 2010 und Juni 2013 erhoben. Der Datensatz beinhaltet ein Krankenhaussicherheitsbewertungssystem für die Beurteilung der Patientensicherheitsleistung in einzelnen US-Krankenhäusern. Für jedes Krankenhaus wird anhand der Daten ein Krankenhaussicherheitswert berechnet. Dieser bewertet krankenhausbezogene Prozesse, Strukturen und Auswirkungen, welche mit der Patientensicherheit in Verbindung stehen (z.B. Wundinfektionsrate, Medikamentenabgleichprozesse, Weiterbildungen zur Patientensicherheit). Der Krankenhaussicherheitswert wird im Rahmen der Studie verwendet, um die Höhe der Patientensicherheitsleistung eines Krankenhauses zu bewerten.

Je höher der Krankenhaussicherheitswert, umso besser ist die Patientensicherheit in einem Krankenhaus. Für den Krankenhaussicherheitswert wurden Schwellenwerte festgelegt, um eine vereinfachte Vergleichbarkeit unter den Krankenhäusern herzustellen. Übersteigt ein Krankenhaus mit seinem Krankenhaussicherheitswert einen Schwellenwert, steigt es automatisch in eine höhere Patientensicherheitsstufe auf. Je höher die Patientensicherheitsstufe desto besser ist die Patientensicherheit in einem Krankenhaus. Wie die Abbildung 1 zeigt, konnten im Jahr 2019 Krankenhäuser mit einem Krankenhaussicherheitswert ab 3,151 die beste Patientensicherheitsstufe „A“ erzielen. Die schlechteste Patientensicherheitsstufe „F“ wurde für einen Krankenhauswert unter 2,034 vergeben. [4]

 

Abbildung 1: Kriterien für die Vergabe von Patientensicherheitsstufen anhand des Krankenhaussicherheitswertes 

 

 

Quelle: In Anlehnung an Leapfrog Hospital Safety Score [4].

 

Dadurch, dass sich die beiden Datensätze zeitlich nicht vollständig überschneiden (d.h. Patientensicherheitsdatensatz von 2010 bis 2013 und Finanzdatensatz aus 2014), ist es möglich, die langfristigen finanziellen Auswirkungen von eingeführten Patientensicherheitsmaßnahmen zu untersuchen. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 2.278 Krankenhäuser eingeschlossen, welche jeweils einen Krankenhaussicherheitswert zwischen 1,39 und 3,74 aufwiesen. Der durchschnittliche Krankenhaussicherheitswert betrug 2,97 und entspricht nach dem obigen Bewertungsschema in Abbildung 1 der Patientensicherheitsstufe „B“.

 

Betriebsergebnis & Patientensicherheit

Das Betriebsergebnis ist das Einkommen eines Unternehmens, wo die Auswirkungen von Finanztätigkeiten oder Steuern noch nicht berücksichtigt werden.

Um die Studienergebnisse besser interpretieren zu können, wurden die Krankenhäuser in Abhängigkeit zu der Höhe ihres Betriebsergebnisses in Quartile eingeteilt. Quartile zerlegen eine sortierte Datenreihe von Beobachtungen in vier (annähernd) gleich große Abschnitte. Die Quartile zu den durchschnittlichen Betriebsergebnissen der Krankenhäuser aus der Stichprobe sind in Tabelle 1 dargestellt. Ein Krankenhaus im untersten 1. Quartil zählt zu den 25 % der untersuchten Krankenhäuser, die das geringste Betriebsergebnis aufzeigen. Im Durchschnitt hatten Krankenhäuser aus dem untersten 1. Quartil ein Betriebsergebnis von $58,10 Millionen. Ein Krankenhaus, was sich im obersten 4. Quartil befindet, zählt zu den 25 % der untersuchten Krankenhäuser mit dem höchsten Betriebsergebnis. Im obersten 4. Quartil ergab sich für die dort platzierten Krankenhäuser ein durchschnittliches Betriebsergebnis von $73,30 Millionen.

 

Tabelle 1: Quartile zu der durchschnittlichen Wirtschaftlichkeit der 2.278 Krankenhäuser

 

 

Quelle: Beauvais et al. [1], Seite 6.

 

Bei der Betrachtung, wie sich die Höhe von Patientensicherheitsleistung (d.h. Krankenhaussicherheitswert) auf die Wirtschaftlichkeit (d.h. Betriebsergebnis) auswirkt, konnte die Studie einen positiven Effekt nachweisen. Sofern ein Krankenhaus seinen Krankenhaussicherheitswert um einen Punkt optimiert hat, war die Wahrscheinlichkeit für das Krankenhaus, ein hohes Betriebsergebnis zu erreichen (d.h. oberstes 4. Quartil), 4-mal höher, als dass es ein sehr geringes Betriebsergebnis erzielt (d.h. unteres 1. Quartil). Damit kann sich eine Optimierung der Patientensicherheitsleistung positiv auf das Betriebsergebnis auswirken.

 

Patientenerlös & Patientensicherheit

Der Patientenerlös beinhaltet den stationären und ambulanten Nettoumsatz eines Krankenhauses.

Im Rahmen der Studie wurden die Krankenhäuser ebenfalls in Abhängigkeit zu der Höhe von den erzielten Patientenerlösen in Quartile eingeteilt, welche in Tabelle 1 einsehbar sind. 25 % der Krankenhäuser mit den höchsten Patientenerlösen wurden dem obersten 4. Quartil zugeordnet. Diese hatten einen durchschnittlichen Patientenerlös von $ 719,00 Millionen. Der durchschnittliche Patientenerlös von den Krankenhäusern mit dem geringsten Patientenerlös (d.h. unterstes 1. Quartil) betrug $ 62,80 Millionen.

Auch bei dieser Finanzkennzahl konnte ein positiver Effekt nachgewiesen werden, den die Höhe der Patientensicherheitsleistung auf die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses hat. Wenn ein Krankenhaus seinen Krankenhaussicherheitswert um einen Punkt optimiert hat, war die Wahrscheinlichkeit für das Krankenhaus, einen hohen Patientenerlös zu erreichen (d.h. oberstes 4. Quartil) fast 11-mal höher als dass es einen sehr niedrigen Patientenerlös generiert (d.h. unteres 1. Quartil). Die Höhe von Patientenerlösen kann also von einem Krankenhaus durch Patientensicherheitsmaßnahmen positiv beeinflusst werden.

 

Gewinnspanne & Patientensicherheit

Die Gewinnspanne wird in Prozent ausgedrückt und ist ein Maß für den Anteil des Krankenhausumsatzes, der nach der Zahlung der variablen Produktionskosten, wie z.B. Löhne und Verbrauchsmaterialien, verbleibt.

Die Einteilung der Krankenhäuser in Quartile wurde auch bei dieser Kennzahl in Abhängigkeit zur Höhe vorgenommen und ist der Tabelle 1 zu entnehmen. Die durchschnittliche Gewinnspanne von den Krankenhäusern mit dem höchsten Gewinnanteil (d.h. oberstes 4. Quartil) betrug 15,85 %. Krankenhäuser mit der geringsten Gewinnspanne (d.h. unterstes 1. Quartil) hatten einen Durchschnittswert von -21,99 % und generierten damit einen finanziellen Verlust.

Die Studie konnte auch hier einen positiven Effekt zwischen der Höhe von Patientensicherheitsleistung durch den Krankenhaussicherheitswert und der Wirtschaftlichkeit durch die Gewinnspanne feststellen. Die Wahrscheinlichkeit für ein Krankenhaus, einen hohen Gewinn zu erzielen (d.h. oberstes 4. Quartil), war fast 6-mal höher als dass es einen hohen Verlust erleidet (d.h. unteres 1. Quartil), sofern es seinen Krankenhaussicherheitswert um einen Punkt optimiert hat. Die Investition in Patientensicherheitsmaßnahmen hat damit einen positiven Effekt für den Gewinn eines Krankenhauses.

 

Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?

In den letzten 10 Jahren ist das Interesse an dem Thema Qualität im Gesundheitswesen drastisch gestiegen. Bislang wurde jedoch noch nicht nähergehend untersucht, welche finanziellen Auswirkungen die steigenden Qualitätsanforderungen im stationären Sektor haben. Krankenhausmanager haben in der Vergangenheit mehrfach betont, dass ein ausreichendes Budget für Patientensicherheitsmaßnahmen nicht vorhanden ist [5]. Die Studie von Beauvais et al. [1] belegt erstmalig, dass Investitionen zur Optimierung der Patientensicherheit nicht zwangsläufig die Kosten in die Höhe treiben müssen. Verbesserte Leistungen im Bereich der Patientensicherheit können sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses auswirken. Begründen lässt sich dies beispielsweise mit der Reduzierung von Kosten, die durch Behandlungsfehler verursacht werden. Ein weiterer Grund für den positiven finanziellen Effekt von Patientensicherheitsmaßnahmen könnte mit der erhöhten Leistungsnachfrage von Patienten in Verbindung stehen, die durch positive Berichte über die Patientensicherheitsstandards auf das entsprechende Krankenhaus aufmerksam werden. Um langfristig eine zuverlässige Aussage über den Zusammenhang zwischen der Patientensicherheit und der Wirtschaftlichkeit eines Krankenhauses zu erhalten, sollten über einen längeren Zeitraum Studien durchgeführt werden, welche die Entwicklung von Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit im direkten Zeitverlauf gegenüberstellen.

 

Sind die Studienergebnisse auch für das deutsche Gesundheitssystem interessant?

Ab 2020 werden die Pflegepersonalvorgaben im Krankenhaus weiter verschärft. Ziel dieses Ganzhausansatzes ist es, eine gute Pflegepersonalausstattung sicherzustellen, um damit die Patientenversorgung zu optimieren. Krankenhäuser müssen hierfür ein bestimmtes Pflegepersonal-Patienten-Verhältnis vorweisen. Wird die geforderte Mitarbeiteranzahl in der Pflege nicht eingehalten, drohen Sanktionen. Die gegenwärtigen gesundheitspolitischen Entwicklungen zeigen erste Trends dafür, dass eine leistungsorientierte Vergütung gekoppelt mit finanziellen Sanktionen bei der Verletzung von Patientensicherheitsvorgaben auch in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine frühzeitige Ausrichtung auf die Weiterentwicklung von Patientensicherheitsmaßnahmen im stationären Sektor ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen.

In Anbetracht der gegenwärtigen leistungsorientierten Ausrichtung im Gesundheitswesen sollten Krankenhausmanager zukünftig Verbesserungen im Bereich Patientensicherheit unterstützen, da diese sich positiv auf finanzielle Kennzahlen auswirken können. Angesichts der derzeitigen gesundheitspolitischen Entwicklungen werden die Anforderungen an die Patientensicherheit weiter ansteigen, sodass eine langfristige Planung zur Optimierung der Patientensicherheit unumgänglich ist. Die Patientensicherheitsplanung, verbunden mit einem guten Strategiekonzept, verspricht jedoch in Anlehnung an die Studie [1] einen steigenden Gewinnzuwachs. 

 

  1. Beauvais, B., Richter, J.P., and Kim, F.S., Doing well by doing good: Evaluating the influence of patient safety performance on hospital financial outcomes. Health Care Manage Rev, 2019. 44(1): p. 2-9.
  2. Makary, M.A. and Daniel, M., Medical error-the third leading cause of death in the US. BMJ, 2016. 353: p. i2139.
  3. Berwick, D.M. and Hackbarth, A.D., Eliminating waste in US health care. JAMA, 2012. 307(14): p. 1513-6.
  4. Leapfrog-Hospital-Safety-Score. Explanation of Hospital Safety Grades. 2019 November 2019 08.11.2019]; Available from: https://www.hospitalsafetygrade.org/media/file/ExplanationofSafetyGrades_Fall2019.pdf.
  5. Devers, K.J., Pham, H.H., and Liu, G.G., What is driving hospitals‘ patient-safety efforts? Health Affairs, 2004. 23(2): p. 103-115

 

Redaktion/ Ines Niehaus

 


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