03.07.2024
Kraftanstrengung über Parteigrenzen hinweg erforderlich
Zum Pflegeregierungsbericht und der Reformankündigung des Bundesgesundheitsministers
Erich Irlstorfer MdB, Berichterstatter für Pflege der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach wollte die Pflege zur Chefsache machen, eine große und weitreichende Pflegereform hat er versprochen – doch in den nun mehr als 930 Tagen seit Amtsantritt passierte nichts dergleichen. Nun die Kehrtwende: Der politische Druck ist zu hoch, die Herausforderungen zu schwerwiegend. Lauterbach kündigt nach den Kabinettsberatungen des Berichts der Bundesregierung zur Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung ein großes Reformkonzept an.
Nach der Sommerpause sollen weitreichende Vorschläge vorgelegt werden, die die problematische Situation in der Pflege und der sozialen Pflegeversicherung lösen werden. Dazu gehören mehr Prävention in der Pflege, mehr Personal durch neue Gesetzesinitiativen und eine Neuaufstellung der sozialen Pflegeversicherung. Themen, die wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert haben. Es wird sich zeigen, ob der Minister seiner Ankündigung gerecht werden kann oder ob die Pflege der Uneinigkeit der Ampel zum Opfer fällt.
Dramatische Finanzsituation
Die Finanzsituation der Pflegeversicherung ist dramatisch. Eigentlich kein Umstand, der angesichts der Entwicklung der letzten Jahre und Prognosen überraschen sollte. Seit Jahren sind die Zahlen bekannt: Die Gesamtausgaben der sozialen Pflegeversicherung lagen 2023 bei rund 36,2 Milliarden Euro, für stationäre Leistungen bei rund 19.7 Milliarden Euro. Der allgemeine Beitragssatz in der Pflegeversicherung beträgt derzeit 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, der Arbeitgeber übernimmt davon die Hälfte. Kinderlose Versicherte zahlen zudem noch einen Zuschlag von 0,6 Prozent. Tendenz steigend. Zudem nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen stark zu, allein 2023 waren es rund 360.000 Personen. Mit Blick auf zukünftige Entwicklungen und in Anbetracht der deutlichen Finanzdefizite in den kommenden Jahren sind das düstere Aussichten für die Pflegeversicherung. So rechnet die BKK in diesem Jahr mit einem Defizit in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro. Bis 2026 könnte dieses Defizit auf 6,4 Milliarden Euro ansteigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die unmittelbare Konsequenz wären Beitragserhöhungen, die nicht im Sinne der Beitragszahlerinnen und -zahler sein können.
Der Bundesgesundheitsminister schlägt zwar Alarm, weiß um die Probleme, scheint aber zu vergessen, dass er das Amt innehat, um Lösungen umzusetzen. Es wäre ratsam, würde die Bundesregierung entschlossen das umsetzen, was der Bericht aber auch Fachverbände immer wieder empfehlen. Wenn das ohnehin geringe Vertrauen nicht noch weiter verspielt werden soll, müssen nun deutliche Schwerpunkte in den Haushaltsberatungen gesetzt werden, die allen voran eine Reform der Pflegeversicherung ermöglichen. Der Bericht gibt dafür eine detaillierte Ausgangslage. Inwiefern die Vorschläge von Minister Lauterbach zu einer Reform beitragen, wird man abwarten müssen.
Diesen Problemen muss sich die Politik entschlossen stellen. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir hierzu ein umfassendes Positionspapier vorgelegt und formulieren unsere Forderungen in verschiedenen parlamentarischen Initiativen, Anträgen sowie fachpolitischen Runden im Deutschen Bundestag.
Pflege im Alter darf keine Frage des Geldbeutels sein. Es bedarf eines Finanzierungsmix – so wie es auch die Autorinnen und Autoren des Berichts befürworten – bestehend aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, betrieblicher Mitfinanzierung sowie einer eigenverantwortlichen Vorsorge. Insbesondere die junge Generation kann bereits durch geringe Beiträge ein späteres Pflegerisiko im Alter finanziell abmildern. Der Eigenanteil darf nicht zu einer immer größer werdenden Belastung werden. Als Union haben wir in der vergangenen Legislatur wichtige Schritte initiiert, um die Eigenanteile an den Pflegekosten für die Pflegebedürftigen zu begrenzen. Darauf kann aufgebaut werden. Um die Pflege zukunftsfest zu machen, bedarf es gleichwohl mehr als einer Finanzreform. Um Personal für die Kranken-, Alten- sowie pädiatrische Pflege und die Rehabilitationseinrichtungen sowie die ambulanten Dienste halten, motivieren oder auch zurückgewinnen zu können, braucht es eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsumfeldes in vielfältiger Form.
Nach Berechnungen der Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform könnten 2040 rund 190.000 Pflegestellen unbesetzt sein. Bereits 2025 würden 57.800 Pflegekräfte fehlen, wobei die altersbedingte Nachbesetzung beispielsweise noch nicht berücksichtigt ist. In diesem schwer zu prognostizierenden Fall könnten bis 2040 rund 225.000 Stellen unbesetzt sein. Dies wird zu Schließungen von Einrichtungen führen. Hinzu kommt der ökonomische Druck, der immer öfter zu Insolvenzen führt. Darüber hinaus stehen auch pflegende Angehörige unter hohem Druck, die heimische Pflege ihrer Angehörigen leisten zu können. Diese Personen benötigen unsere Unterstützung sowie zeitnah klare Entlastungsmaßnahmen, um die Versorgung der Pflegebedürftigen auch weiterhin gewährleisten zu können. Zur Wahrheit gehört sicherlich auch, dass wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den Jahren der Regierungsbeteiligung nicht vollumfänglich Maßnahmen auf dem Weg bringen konnten, um die die Soziale Pflegeversicherung resilienter zu gestalten. Nichtsdestotrotz haben wir uns bemüht, die Pflege in den Fokus zu rücken und Verbesserungen zu erzielen. Dieses Engagement vermissen wir bei der aktuellen Bundesregierung. Es ist bedauerlich, dass zwei Jahre in der laufenden Legislaturperiode nicht genutzt wurden.
Gute Pflege auch für die Zukunft gewährleisten
Allen in diesem Land ist bewusst, dass das aktuelle System der Pflegeversicherung aufgrund der demografischen und finanziellen Situation überarbeitet und an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden muss. Wir brauchen jetzt Maßnahmen, um eine gute Pflege auch in Zukunft finanzieren zu können, um den Pflegebedürftigen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte zu verbessern. Mit unseren Vorschlägen zeigen wir ressortübergreifend auf, was möglich ist – es braucht eine Kraftanstrengung über Parteigrenzen hinweg. Das sind wir den Beschäftigten in der Pflege, den zu Pflegenden und ihren Angehörigen schuldig. Es bleibt nicht mehr viel Zeit zum Handeln.
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