Klinikketten als Qualitäts- und Rentabilitätsbooster

US-Studie belegt: Übernahmen von Fachkliniken verbessern die Versorgung am Beispiel der Fertilitätsmedizin



In Deutschland gibt es einen Trend zur Zentralisierung von Kliniken. Dabei wird oftmals vergessen, dass spezialisierte Leistungen, die gut planbar sind, eher in separierten Fachkliniken angeboten werden sollen [1]. Dies gilt auch für den wachsenden Bedarf an Reproduktionsmedizin. Eine Möglichkeit der Realisierung von flächendeckenden Behandlungsangeboten ist die Implementierung von Kliniken in einer Klinikkette.

Während einige Kritiker befürchten, dass hier finanzielle Interessen in der medizinischen Versorgung überwiegen könnten, zeigt eine aktuelle Studie von La Forgia und Bodner am Beispiel von Fertilitätskliniken in den USA, dass die Übernahme von Krankenhäusern durch größere Ketten zu einer messbaren Verbesserung der Qualität und Leistungsfähigkeit führte [2].

 

Studiendesign

Die Studie basiert auf Daten von 527 US-amerikanischen Fertilitätskliniken aus den Jahren 2004 bis 2018. Es wird analysiert, wie sich der Zusammenschluss zu einer Kette auf die Anzahl der durchgeführten In-vitro-Fertilisationen (IVF) und deren Erfolg auswirkt.

Kliniken, die von einer Kette übernommen wurden, werden mit unabhängigen Kliniken vergli­chen. Untersucht werden zwei zentrale Erfolgsfaktoren:

Die Zahl der durchgeführten IVF-Zyklen als Indikator für die Nachfrage und Kapazität.

Die Erfolgsrate von IVF-Behandlungen, gemessen an der Lebendgeburtenrate pro Transfer.

 

Auswirkungen von Kettenübernahmen

Quelle: Vereinfachte Darstellung in Anlehnung an La Forgia und Bodner [2].

 

 

Ergebnis 1: Mehr IVF-Behandlungen und höhere Erfolgsraten durch Kettenübernahmen

Nach einer Übernahme durch eine Fertilitätskette stieg die Anzahl der durchgeführten IVF-Zyklen um 27,2 %, während die Erfolgsrate von IVF-Behandlungen um 13,6 % zunahm. Ein entscheidender Wirkmechanismus war hierbei die einheitliche Anpassung der Vorgehensweise. Kliniken in Ketten setzten vermehrt auf den Transfer einzelner Embryonen, wodurch das Risiko von risikoreichen Mehrlingsschwangerschaften gesenkt und gleichzeitig die Erfolgsrate erhöht wurde. Dies zeigt, dass durch standardisierte Behandlungsprotokolle und verbessertes Klinikmanagement die Behandlungsqualität erheblich gesteigert werden kann.

 

Ergebnis 2: Wissens- und Ressourcentransfer als Schlüssel zum Erfolg

Die Ergebnisse der Studie liefern Anhaltspunkte dafür, dass ein bedeutender Vorteil von der Aufnahme in Klinikketten die bessere Nutzung von Ressourcen ist. Dazu gehören:

  • Zugang zu modernen Technologien wie genetischen Präimplantationstests zur Aus­wahl hochwertiger Embryonen.
  • Optimierte Behandlungsstrategien durch Erfahrungsaustausch zwischen den Kliniken innerhalb der Kette.
  • Standardisierte Protokolle für IVF-Verfahren, die Qualität und Sicherheit erhöhen.

Durch den Zusammenschluss mit einer Kette profitieren Kliniken von einer systematischen Weiterentwicklung medizinischer Verfahren.

 

Ergebnis 3: Marktausweitung und wirtschaftliche Stabilität

Neben den medizinischen Verbesserungen zeigt die Studie, dass durch die Übernahme zu einer Kettenorganisation der Profit für die Klinik steigt, so erhöhte sich in dem Jahr nach der Übernahme der Profit um durchschnittlich 33 %. Kliniken, die von Ketten übernommen werden, gewannen neue Patienten und konnten ihr Angebot erweitern.

Ein entscheidender Faktor hierfür sind gezielte Marketingmaßnahmen und Preisstrategien, die den Zugang zu Behandlungen erleichtern. Zudem sorgt die finanzielle Stabilität der Ketten für Investitionen in Infrastruktur und Personal, was langfristig die Qualität der Versorgung sichert.

 

Was bedeuten die Ergebnisse für die Praxis?

Die Ergebnisse der Studie liefern wertvolle Erkenntnisse für das deutsche Gesundheitssystem:

  • Qualitätssteigerung durch Vernetzung: Eine stärkere Zusammenarbeit und Vernetzung von Fachkliniken könnte auch in Deutschland zu einer höheren Behandlungsqualität führen.
  • Effizienzsteigerung durch wirtschaftliche Anreize: Eine gezielte Förderung von Fachklinikketten könnte dazu beitragen, die Effizienz der Behandlungsprozesse zu optimieren.

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Kettenorganisationen nicht nur wirtschaftlich erfolgreich sind, sondern auch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung bewirken können. Die Implementierung vergleichbarer Konzepte in Deutschland könnte langfristig zu einer besseren Patientenversorgung und effizienteren Klinikstrukturen führen.

 

[1]          Kuntz, L., Scholtes, S., & Sülz, S. (2019). Separate and concentrate: Accounting for patient complexity in general hospitals. Management Science65(6), 2482-2501. https://doi.org/10.1287/mnsc.2018.3064 .

[2]          La Forgia, A., & Bodner, J. (2024). Getting down to business: chain ownership and fertility clinic performance. Management Science. https://doi.org/10.1287/mnsc.2023.02793 .

 

 

Prof. Dr. Ludwig Kuntz

Leiter des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Management im Gesundheitswesen, Universität zu Köln; Ressortleiter Management im Observer Gesundheit

 

Helena Sophie Müller, M.Sc.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen an der Universität zu Köln

 


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