KHVVG: Stichprobenprüfung ist kompliziert und teuer

Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK)

Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine umfangreiche und komplexe Reform vorgenommen. Neue Qualitätsvorgaben, neue Versorgungsstrukturen und eine neue Finanzierung erfordern für den heterogenen Markt mit 1700 Kliniken vom kleinen Kreiskrankenhaus bis zum Maximalversorger ein umfassendes Werk. Und drastische Veränderungen rufen naturgemäß Widerstände hervor und entfesseln Beharrungskräfte.

Umso mehr erstaunt es, dass das Gesundheitsministerium dieses – ohnehin anspruchsvolle – Vorhaben mit Änderungen bei der Rechnungsprüfung unnötig kompliziert macht: Statt wie bisher auffällige Rechnungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, sollen solche Kontrollen in Zukunft nur noch stichprobenartig erlaubt sein. Applaus für das neue Konstrukt gibt es derzeit von keiner Seite.

 

Anreiz für korrekte Rechnungen etabliert

Seit dem Reformgesetz für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) von 2019 gelten bei der Überprüfung von Krankenhausrechnungen Prüfquoten. Im Standardfall können Kassen bis zu 10 Prozent der Rechnungen eines Hauses vom Medizinischen Dienst (MD) überprüfen lassen. Wenn ein Haus in der Vergangenheit durch zahlreiche fehlerhafte Rechnungen auffiel, wird die Quote erhöht und bei wenigen reklamierten Rechnungen gesenkt. Die Kliniken haben sich auf das System eingestellt. 2023 wurden im Durchschnitt 8 Prozent der Rechnungen überprüft und damit lag die tatsächliche Prüfquote sogar unter dem Standardwert. Das zeigt: Das System bietet den Kliniken offensichtlich einen Anreiz für korrekte Rechnungen. Krankenhäuser mit wenig Regelverstößen haben gleichzeitig deutlich weniger bürokratischen Aufwand durch die Rechnungsprüfung als Kliniken, die es weniger genau nehmen.

Das KHVVG soll dieses etablierte Verfahren ab 2027 durch eine stichprobenartige Prüfung ablösen. Begründet wird dies mit einem vermeintlichen Bürokratieabbau. Dabei frage ich mich, ob beim Verfassen des Entwurfs aus dem Blick geraten ist, dass alle bisherigen Versuche eines stichprobenartigen Prüfsystems gescheitert sind. Und zwar ausgerechnet an der damit einhergehenden Bürokratie. Unter anderem sind bei dem Umstieg auf neue Prüfverfahren immer Anpassungen bei der Datenermittlung, Datenübermittlung und Datenkorrektur in Krankenhäusern, Kassen und den einzelnen Medizinischen Diensten notwendig. Hinzu kommt: Während die Prüfungen derzeit ziemlich treffsicher Rechnungsfehler finden und entsprechend der Prüfaufwand überwiegend in den auffälligen Kliniken anfällt, würden in dem neuen System auch völlig korrekt abrechnende Häuser mit Bürokratie belastet. Das lässt sich bei einer stichprobenartigen Überprüfung gar nicht vermeiden.

 

Drohende Prozesswelle 

Auch auf die Beziehungen zwischen Krankenhäusern und Kassen hätte das neue Verfahren erhebliche Auswirkungen. Während bisher zahlreiche Streitfälle auch durch Schlichtungsverfahren zwischen Kassen und Kliniken einvernehmlich gelöst werden können, würde in dem neuen System vermutlich um jeden Streitfall hart gekämpft. Denn durch die in solch einem System notwendige Hochrechnung der Stichprobe auf die Gesamtzahl der Abrechnungen wären die finanziellen Auswirkungen jedes Einzelfalls umso gravierender. Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass das neue Verfahren vor den Gerichten eine regelrechte Prozesswelle hervorrufen würde. Für beide Seiten sind solche schwebenden Verfahren mit enormer Unsicherheit verbunden.

Das Verfahren krankt aber auch an zahlreichen grundsätzlichen Problemen. Wie kann man mit wenigen Prüfungen eine repräsentative Stichprobe für eine Klinik hinbekommen? Und wie kann ich anschließend die Ergebnisse der Stichprobe hochrechnen und das so ermittelte Geld auf die Kassen gerecht verteilen? Eins ist für mich klar: Eine Stichprobenlösung – wie auch immer sie ausgestaltet ist – wird weder zu weniger Bürokratie noch zu mehr Rechtssicherheit führen. Von den Problemen bei der Transformation von einem zum anderen System einmal ganz abgesehen. Die Einführung von Stichproben würde einen jahrelangen Übergang erfordern, bei dem parallel sowohl das alte Prüfsystem als auch das neue betrieben werden müsste. Angesichts von rund 15 Millionen Krankenhausabrechnungen pro Jahr ist so etwas kaum umzusetzen.

 

Bürokratiemindernde Effekte im bewährten System 

Der Gesetzgeber sollte deshalb dringend im Rahmen seiner Beratungen die Stichproben für Krankenhausrechnungen streichen und stattdessen besser auf bürokratiemindernde Effekte im bewährten System setzen. Durch die geplante Konzentration von komplexen Eingriffen wird die Reform von sich aus bereits die Abrechnungsgenauigkeit der Kliniken erhöhen und Prüfquoten weiter absenken. Um die komplexe Reform noch weiter zu entbürokratisieren, könnten Kliniken und Kassen zudem entlastet werden, indem die Aufschlagzahlungen für Krankenhäuser und die Aufwandspauschalen für die Krankenkassen abgeschafft werden.

Solch ein Abbau von Hemmnissen im aktuellen System der Krankenhausrechnungsprüfung wird mehr Bürokratie abbauen als eine gut gemeinte, aber aufwändige, teure und letztendlich nicht umsetzbare Stichprobenlösung. Gleichzeitig vereinfacht die Schließung dieser unnötigen Baustelle, sich auf das Wesentliche der Reform zu konzentrieren: Eine zukunftssichere, bedarfsgerechte Krankenhauslandschaft mit klarem Fokus auf Qualität zu schaffen.

 


Observer Gesundheit Copyright
Alle Kommentare ansehen