24.05.2019
In der Hausarztpraxis braucht es keinen Physician Assistant
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes
In Zeiten, in denen der Bedarf nach Hausärztinnen und Hausärzten immer weiter steigt, ist es ein gutes Zeichen, wenn sich Selbstverwaltung und Politik Gedanken über die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung machen und diese Maßnahmen dann auch gezielt umsetzen. Aktuelle Beispiele sind etwa die Fortgeltungsklausel für die Hausarztzentrierte Versorgung, die Landarztquote in Nordrhein-Westfalen oder auch die neue Bedarfsplanung des G-BA. Ärgerlich ist dagegen, wenn der oft ausgerufene „Hausärztemangel“ als Grund herangezogen wird, um Konzepte zu bewerben, die letztlich mehr schaden als nutzen.
Ein gutes Beispiel ist die Diskussion darüber, ob es einen Arztgehilfen, den sogenannten Physician Assistant, in der hausärztlichen Versorgung braucht. Immer wieder höre ich dabei die unterschiedlichsten Argumente, die mir verdeutlichen sollen, warum ein solcher Arztgehilfe unerlässlich für unsere Arbeit ist. Auf einige möchte ich an dieser Stelle gerne eingehen.
„Es braucht einen Physician Assistant als Unterstützung in der Hausarztpraxis.“
Es gibt sicherlich einiges, was wir Hausärzte uns wünschen – weniger Bürokratie oder mehr hausärztlichen Nachwuchs zum Beispiel. Woran es aber definitiv nicht fehlt, ist eine qualifizierte, nichtärztliche Unterstützung. Seit zehn Jahren gibt es die in der Praxis weitergebildete Versorgungsassistenz in der Hausarztpraxis. Mittlerweile übernehmen in ganz Deutschland etwa 12.000 VERAH® an sie delegierte, nichtärztliche Tätigkeiten – Tendenz steigend. Professionelle Unterstützung gibt es also bereits. Wieso sollte es zusätzlich noch einen Physician Assistant brauchen, der seine Weiterbildung in einem Hörsaal statt in einer Praxis verbracht hat? Bevor ein völlig neues Berufsbild protegiert wird, sollten wir lieber die Modelle fördern und weiterentwickeln, die bereits etabliert sind und Erfolg haben. „Aus der Praxis für die Praxis“ sollte hier viel eher das Motto sein.
„Junge Ärztinnen und Ärzte wünschen sich einen Physician Assistant in der Praxis.“
Dieses Argument stützt sich auf eine Umfrage unter Medizinstudierenden. Darin haben sich die Teilnehmer zwar offen gegenüber Delegationsmodellen gezeigt, allerdings ging es dabei nicht um den Physician Assistant per se –, aber das wird ja gerne mal überlesen. In zahlreichen Gesprächen mit jungen Ärztinnen und Ärzten, beispielweise in unserem Forum Weiterbildung, habe ich zumeist eine sehr deutliche Haltung gegenüber dem Arztgehilfen wahrgenommen und die war sicherlich nicht auf der Pro-Seite. So wurde beispielsweise davor gewarnt, weitere Schnittstellen in der ambulanten Versorgung zu etablieren – eine Sorge, die sich insbesondere aus den Erfahrungen im stationären Weiterbildungsabschnitt speist. Zudem bestand die Unsicherheit, Krankenhäuser und Praxen könnten, statt einen Arzt in Weiterbildung anzustellen, lieber auf den kostengünstigeren Physician Assistant zurückgreifen.
„Hausärzte könnten Filialpraxen eröffnen und dort Physician Assistants eigenständig arbeiten lassen.“
Das ist eine Idee, die nur von jemandem kommen kann, der noch nie in einer Hausarztpraxis gearbeitet hat. Als würde man einfach seine langjährigen Patientinnen und Patienten in eine Praxis schicken, wo sie dann arztunabhängig von einem Bachelorabsolventen behandelt werden. Es hat seinen Grund, warum wir Ärztinnen und Ärzte uns elf Jahre aus- und weiterbilden und zusätzlich regelmäßig Fortbildungen besuchen. Dieses Wissen und diese Erfahrung in irgendeiner Weise ersetzen zu wollen, ist schlicht fahrlässig.
Bitte nicht falsch verstehen: Gegen eine sinnvolle Delegation nichtärztlicher Tätigkeiten ist überhaupt nichts zu sagen. Aber Delegation und Substitution sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe – und mit der Haftungsfrage will ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen!
„Lieber jetzt mitgestalten, als später keinen Einfluss mehr darauf haben!“
Dieses Argument hört man immer wieder gerne aus der ärztlichen Selbstverwaltung. Zum einen hat aber der Ansatz „Es wird sowieso kommen, deshalb mache ich lieber mit!“ fast immer in Sackgassen oder zu Schlimmerem geführt, wenn man sich die Vergangenheit anschaut. Zum anderen liegt es doch an uns Ärztinnen und Ärzten, welche Konzepte letztlich in unseren Praxen ankommen. Da verstehe ich die Sorge vor mangelndem Einfluss nicht. Mehr muss man dazu nicht sagen!
Um es in zwei Sätzen zusammenzufassen: Wir sind es unseren Patientinnen und Patienten, aber auch unserer täglichen Arbeit schuldig, die Qualität der Versorgung so hoch wie möglich zu halten! Da ist und bleibt kein Platz für einen Physician Assistant!
Alle Kommentare ansehen