19.03.2019
Frühlingsempfang der Deutschen Krankenhausgesellschaft
Endlich, endlich beginnen wieder die großen Frühlingsempfänge der gesundheitspolitischen Szene. Und den Auftakt machte, wie jedes Jahr, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die ins Berliner Grand Hyatt geladen hatte. Weit mehr als 550 Politiker, wichtige und weniger wichtige Akteure der Gesundheitsbranche, Krankenhausmanager, Verbändechefs, Politikverantwortliche gaben sich ein Stelldichein. Der Auflauf war aus gutem Grund sehr groß: Es gab so einiges zu bereden. Wie läuft es mit den Pflegepersonaluntergrenzen in den Kliniken, kann bei den Investitionen in den Kliniken Geld in den Ländern lockergemacht werden? Und die Freude bei vielen war augenscheinlich, den einen oder anderen zu treffen und zu plaudern.
Vor einem Jahr verkündete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die Pflegekosten in den Krankenhäusern komplett von den Kassen bezahlt werden – unabhängig von den Fallpauschalen. An diesem Abend trumpfte DKG-Präsident Gerald Gaß mit neuen Vorschlägen auf: frisch vom Vorstand beschlossen. Gemeinsam mit dem Pflegerat habe man sich auf ein „Instrument der Pflegebemessung“ geeinigt. Berücksichtigt werde der differenzierte Mix in den Kliniken. Gaß: „Wir wollen den Ganzhausansatz in der Verantwortung der Kliniken. Dann wird man uns überlassen, wie wir die Pflege im Haus einsetzen.“ Ein weitreichendes Angebot an Politik und Partner, wie der Präsident sagte.
Zudem läutet die DKG eine „neue Phase der Politik für die Krankenhauslandschaft der Zukunft“ ein. Wenn Krankenhausstandorte zur Disposition stünden, gebe es dafür diverse Ursachen; unter anderem massive Erlösausfälle. Wo seien da die Bundesländer, fragte Gaß. Krankenhausstrukturen würden sich „teilweise parallel“ an einem Ort befinden – „mal weniger, mal mehr“ und es gebe auch Unterversorgung. Die DKG wolle hier „an diesem Veränderungsprozess mitwirken mit den Ländern“. Man wolle „Schluss machen mit der Politik, die die Krankenhäuser in die Ecke drängt, die Strukturbereinigung auf kaltem Wege überwinden“.
Und so manchem Teilnehmer stockte bei diesen Worten ein wenig der Atem – kein Draufhauen der DKG, sondern verändern wollen und zwar konstruktiv. Respekt, hörte man aus den Reihen.
Dafür müsse die Politik jedoch auch agieren. Das Dickicht der Regulierungen in Sachen Qualität müsse unter anderem beendet werden. Der MDK dürfe nicht als Wettbewerbsinstrument der Kassen agieren, die Umgestaltung des DRG-Systems sei notwendig, damit ohne Mengenausweitung die Kliniken finanziell sichergestellt sind. Und gebraucht würde auch eine auskömmliche Investitionsfinanzierung. Die DKG sei offen für den Dialog und alternative Versorgungskonzepte.
Beim Thema ambulante Notfallversorgung setzte Gaß den traditionellen Seitenhieb gegen die KBV: Zehn Millionen Patienten würden jährlich in die Kliniken kommen, weil niedergelassene Ärzte ihre Aufgaben nicht erfüllen. Gleich schob er nach, dass der Vorwurf an Krankenhäuser, über die Notaufnahmen Betten zu füllen, nun wirklich nicht stimme. Eine Steuerung der Patienten werde unterstützt, eine „flächendeckende Einlasskontrolle“ durch die KVen jedoch abgelehnt.
Gaß dankte dem Bundesgesundheitsminister für die Neuregelung nach dem BSG-Urteil zu den Komplexbehandlungen. Das Thema sei jedoch noch nicht vom Tisch. „Neue Wege im Bereich der Abrechnungsprüfung“ verlange die DKG. Der Vorwurf von Falschabrechnungen sei „ein unerträglicher Vorgang“. Die Prüfungen sollten fürwahr nicht abgeschafft werden, jedoch die Kriterien „einheitlich und kassenübergreifend“ stattfinden, der MDK müsse unabhängig sein. Man darf auf die vom BMG bereits angekündigte MDK-Reform also wohl gespannt sein.
Bevor Bundesgesundheitsminister Jens Spahn politisch wurde, galt sein Dank Ulrich Orlowski, seit 2009 Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung im BMG, seit 28 Jahren im Ministerium. Applaus im Saal. „Die Minister kamen und gingen, Sie sind geblieben“, sagte Spahn mit Hochachtung. Ende März geht Orlowski in den Ruhestand. Joachim Becker wird in seine großen Fußstapfen treten.
Und wieder spielte das Vertrauen in Spahns Rede eine entscheidende Rolle. Sein grundsätzliches Prinzip sei eine „vertrauensvolle und verlässliche Versorgung“. Wie werde Vertrauen zurückgewonnen, dessen Rückgrat die Krankenhäuser seien.
Und es ging um den Fan der Selbstverwaltung, Spahn, der sich aber einschaltet, wenn die Gremien nicht entscheiden würden. Das Beispiel Lipödem, mittlerweile hinlänglich bekannt, schmückte er süffisant aus. Gesundheitswesen und Pflege müssten funktionieren. Detaillierte Vorgaben bei den Pflegepersonaluntergrenzen lehne er ab. Spahn lobte die DKG-Vorschläge. Die entscheidende Frage sei, wie man „messbare Schritte“ hinbekommen könne. Es sei gut, dass die DKG sich dabei einbringe.
Bei der Digitalisierung würden Infrastruktur und Anwendung, auch Vorgaben gebraucht. Mit dem BMG als Bald-Mehrheitsgesellschafter der gematik strukturiere Spahn gerade um, ob die gematik oder das BMG blieb offen.
Eine gute Entscheidung nannte Spahn das G-BA-Notfallkonzept. Die Notfallversorgung müsse mit den Ländern besprochen werden. Es müsse gesteuert werden, das sei unbestritten. Der G-BA habe nun den Auftrag, die Definition von Zentren zu formulieren. Zufrieden sei er auch mit der Organspende, die Entnahme-Häuser würden zum 1. April bessergestellt. Die Debatte über die Frage Widerspruch oder Zustimmung würde im Bundestag geführt.
Stoff genug für die Gäste, dies anschließend zu bereden, zu bewerten und sich zu ereifern. Das Buffet, wie in jedem Jahr, gut gefüllt, die Getränke süffig. Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.
Redaktion / Fina Geschonneck, Sebastian Hofmann
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