Finanzielle Anreize für die Versicherten für ein effizienteres Gesundheitssystem

Erwin Rüddel MdB, Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages

2013 wurde die Praxisgebühr unter Gesundheitsminister Daniel Bahr und auf Betreiben der FDP-Bundestagsfraktion kurz vor der Bundestagswahl abgeschafft. Geholfen hat dieses Geschenk an den Wähler den Liberalen bekanntlich nicht.

Das Argument lautete damals, dass die geplante Lenkungswirkung nicht erfüllt wurde. Gestützt wurde dies durch einen Bericht des GKV-Spitzenverbandes. Bagatellbesuche und „Facharzthopping“ konnten leider nicht begrenzt werden. Die Zahl der Arztkontakte lag in Deutschland noch immer deutlich über dem OECD-Schnitt. Hier hätte man allerdings überlegen sollen, ob die Praxisgebühr grundsätzlich ein ungeeignetes Instrument zur Lenkung von Patienten ist oder ob eine Weiterentwicklung sinnvoll gewesen wäre. Nicht wenige Patienten haben die damals einmal im Quartal zu zahlende Gebühr als eine Art „Flatrate“ begriffen, die es zu nutzen galt.

Trotzdem empfinde ich es immer noch als sinnvoll, die Eigenverantwortung und das Kostenbewusstsein der Versicherten zu fördern.

 

Gebühren für bessere Versorgung

Es gibt verschiedene Gründe, über Gebühren in der Gesundheitsversorgung nachzudenken, um Menschen im System besser lenken zu können – und zwar mit dem Ziel einer besseren Versorgung für alle. Das naheliegendste Beispiel ist sicherlich die Versorgung in den Notaufnahmen. Immer mehr Patienten nutzen die Notaufnahmen, ohne tatsächlich ein Notfall zu sein. Das „verstopft“ die Notaufnahmen und führt zu längeren Wartezeiten für alle, auch für die tatsächlichen Notfälle. Ein Zustand, den niemand wollen kann und dem auch die Politik versucht, entgegenzuwirken, indem beispielsweise Portalpraxen eingerichtet werden. Eine Gebühr für die Nutzung der Notaufnahme könnte die Bemühungen unterstützen und beispielsweise dazu beitragen, dass leichtere Fälle sich an die 116 117 wenden, die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes.

Aber auch die hausarztzentrierte Versorgung könnte dadurch wieder gestärkt werden. Im Terminservice- und Versorgungsgesetz verankern wir aktuell, dass der Hausarzt 5 Euro für die Übermittlung eines Patienten an den Facharzt erhält, um so seine Rolle als Lotse im Gesundheitswesen zu stärken. Dabei wäre es durchaus möglich, eine Stärkung der Rolle des Hausarztes auch wieder durch finanzielle Anreize für die Patienten herbeizuführen und ihn dadurch als erste Anlaufstelle für Patienten zu etablieren. Damit werden im besten Fall überflüssige Facharztbesuche verhindert. Zudem kann eine intensivere und besser koordinierte Gesundheitsversorgung für ältere, chronisch kranke und multimorbide Patienten gefördert werden. Denkbar wäre beispielsweise ein Erlass der Rezeptgebühr für Patienten, die an hausarztzentrierter Versorgung teilnehmen. Ein solches Modell wäre zudem sicherlich besser vermittelbar, da es die Patienten belohnt, anstatt sie zu bestrafen.

 

Hausarzt ist zentraler Kontakt

Die Rolle des Hausarztes wird sich in den kommenden Jahren sowieso verändern. Durch die Digitalisierung wird er notwendigerweise der erste Ansprechpartner sein, der die zusammenlaufenden Daten von verschiedenen Fachärzten auswertet – wie zum Beispiel Medikation oder Blutwerte – und zu einem Gesamtbild zusammenfügt. Denn es ist ganz klar unser Ziel, dass der Hausarzt auch weiterhin der zentrale Kontakt für eine anspruchsvolle Gesundheitsversorgung für die Patienten sein wird und nicht zum „Verteiler“ gemacht wird. Deshalb ist es mit dem Ziel einer besseren Versorgung sinnvoll, Patienten über Anreizsysteme im Gesundheitssystem zu lenken.


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