27.05.2019
Eröffnung des 122. Deutschen Ärztetages in Münster
Wer zur Eröffnung eines Deutschen Ärztetages (DÄT) kommt, erwartet als musikalische Umrahmung irgendetwas Feierlich-Klassisches, gern von ein paar Streichern dargeboten, vielleicht noch ein bisschen Querflöte dabei. Die Ärztekammer (ÄK) Westfalen-Lippe als Gastgeberin hatte sich anders entschieden: Sie hatte die „Fascinating Drums“ in die Halle Münsterland zur Eröffnung des 122. Deutschen Ärztetags eingeladen: Neun Trommler in schwarz-blauer Uniform, die mit ihrer präzise aufeinander abgestimmten Musik und ihren wechselnden Gruppenformationen auf der Bühne Eindruck machten. Ihre harten Töne passten ausgezeichnet zum Ort des Festakts, der trotz schwarzer Bestuhlung und gedämpftem Licht mit seinen orangefarbenen Tribünen an der Seite die praktisch-sportliche Herkunft als Mehrzweckhalle nicht verleugnen konnte.
Gastgeber Dr. Theodor Windhorst, Präsident der ÄK Westfalen-Lippe, sprach die Trommelkunst in seiner Begrüßung an. Nun seien sicher alle aufgewacht aus ihren alltäglichen Routinen. Ein rhythmisches Feuerwerk wie das der Neun, ein beeindruckender Gleichklang wie ihrer – so solle man am Ende am besten auch den diesjährigen Ärztetag wahrgenommen haben. Dass nicht zwischen allen Gleichklang herzustellen ist, zeigten allerdings die Auftritte des (Noch-) Präsidenten von Bundesärztekammer und DÄT, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, und von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Montgomery sprach mit kritischen Tönen die Themen TSVG, gematik sowie nicht-ärztliche Gesundheitsberufe an (Reform der Psychotherapeutenausbildung, Akademisierung des Hebammenberufs, Ausdehnung der Befugnisse zahlreicher nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe). Er lobte aber auch Spahns Engagement für Organspendethemen und konstatierte, persönlich habe er immer gut mit diesem zusammengearbeitet.
Dieser ging auf Kritik wie Lob von Montgomery in freier Rede ein und überzeugte rhetorisch. Das Tempo seiner Gesetzesvorlagen begründete er so: Wenn es einen Punkt gebe, an dem man etwas besser machen könne, dann versuche er, einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten. Spahn sprach die anhaltende Diskussion um die 25 Pflichtstunden in Praxen ebenso an wie die Themen gematik und Digitalisierung. Im Hinblick auf Montgomerys harsche Worte zu den nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen erlaubte er sich einen Rat: Er ließ gewisses Verständnis erkennen, empfahl aber, das Thema besser „konstruktiv bis in die Wortwahl“ anzugehen. Auch er dankte dem scheidenden BÄK-Präsidenten für gute Zusammenarbeit. Angesichts von dessen Tätigkeit als Vorsitzender des Weltärztebunds werde man „sicher nicht völlig voneinander loskommen“.
Die Lacher auf seiner Seite hatte der Minister zuvor bei einem kurzen Stromausfall. Gerade hatte Spahn mit Bezug auf die kritisierten 25 Pflichtwochenstunden in Praxen auf den Kompromiss mit dem Koalitionspartner verwiesen und angemerkt: „Wenn Sie mir helfen, dass wir nächstes Mal einen anderen Koalitionspartner haben… .“ Peng, wurde es dunkel um die Bühne herum, und das Mikrofon fiel aus. „Kaum redet man von der SPD, geht das Licht aus“, witzelte Spahn. Er redete ohne Mikro und Licht einfach weiter und kam gerade auf Ulla Schmidt zu sprechen, als der Stromausfall plötzlich endete: „Und da geht das Licht wieder an.“
Dass Westfalen auch leise können, bewies ein Solistenquartett des westfälisch-lippischen Ärzteorchesters. Es umrahmte zart die Totenehrung. Auch die Überreichung dreier Paracelsus-Medaillen wurde feierlich gestaltet. In diesem Jahr wurden sie verliehen an Dr. Ingo Flenker, ehemaliger Präsident der ÄK Westfalen-Lippe, an Dr. Armin Rost, der sich jahrelang medizinisch in Elendsvierteln der Welt engagiert hat, und (in Abwesenheit) an Dr. Marianne Elisabeth Koch, die nach einer Karriere als Schauspielerin ihren Beruf als Internistin wieder aufgenommen hatte und sich zudem als Medizinjournalistin einen Namen machte.
Eine engagierte Rede zu den landespolitischen Herausforderungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik Nordrhein-Westfalens hatte zuvor der zuständige Minister Karl-Josef Laumann (CDU) gehalten. Und auch der Münsteraner Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) überzeugte mit einer launigen Rede. Wie hatte doch Spahn, gebürtiger Westfale, betont: Er wünsche gute Stimmung für den Ärztetag und sei sicher, die werde sich vor Ort einstellen. „Die Münsteraner sind die Brasilianer Westfalens.“
Er hatte nicht das letzte Wort. Das hatte Montgomery. Spahns Vorgänger hätten grundsätzlich am Ende ihrer Rede gesagt: „Bis zum nächsten Jahr.“ Spahn nicht. „Ich sage das bloß, um Spekulationen unter Journalisten anzuheizen, ob er sich etwas dabei gedacht hat“, betonte der Noch-Präsident. Die letzten Lacher holte damit er.
Den nächsten Ärztetag in Mainz wird dann „der Neue“ für die BÄK eröffnen, Dr. Klaus Reinhardt. Wo genau, das ist noch offen. Hier gibt es nichts zu lachen: Die dortige Rheingoldhalle, bereits gebucht, ist gerade teilweise abgebrannt.
Sabine Rieser
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