Empfang der Bundespsychotherapeutenkammer aus Anlass von 20 Jahre Psychotherapeutengesetz

Hippe Location: „Fabrik 23“ im Berliner Wedding
Dietrich Munz bei seiner Rede (BPtK)
Aufmerksame Zuhörer
Dietrich Munz (BPtK) mit der parlamentarischen Staatssekretärin im BMG Sabine Weiss
Sabine Weiss (BMG) vertrat den Bundesgesundheitsminister
Gern gesehener Gast: Rainer Hess
Maria Klein-Schmeink MdB (Bündnis 90/Die Grünen) – Kämpferin für die Psychotherapie
Dieter Best (DPtV), Thomas Kriedel (KBV) (r.)
Dirk Heidenblut MdB (SPD)
Gute Stimmung beim Empfang der Bundespsychotherapeutenkammer


Wenn junge Erwachsene in Berlin feiern gehen, sollte der Ort schon ein bisschen „hipp“ oder „alternativ“ sein. Auch eine Prise Selbstironie schadet dabei nicht. Deshalb war es nur konsequent, dass die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zum Feiern am 19. Februar in die teilsanierte „Fabrik 23“ im Berliner Wedding einlud.

Denn mit einem jungen Erwachsenen verglich Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz das gerade 20 Jahre alt gewordene Psychotherapeutengesetz, das Anlass fürs Fest war. Einige Gäste waren zunächst etwas irritiert angesichts der rauen Gegend, der gut sichtbaren Mülltonnen im Hof, den vollgekritzelten Wänden im Treppenhaus mit Sprüchen wie früher auf dem Schulklo.

Doch raue Berliner Ecken haben ihren eigenen Charme. Das anfängliche Fremdeln mit dem ehemaligen Holzbearbeitungsbetrieb schlug auf abgewetzten Dielen, unter dicken Industrielampen und zwischen groben Werkswänden bei Musik der MOON GlOW Jazz Band Berlin schnell in Wohlgefühl um. Psychotherapeuten wissen von Berufs wegen nicht nur, dass das Unbekannte seinen eigenen Reiz hat. Sondern auch, wie man dafür sorgt, dass sich Menschen angenommen fühlen. Es gab Essen für alle Geschmäcker: Burger, aber auch veganen Quinoasalat. Genug Platz zum Sitzen und zum Stehen, eine kleine Bar – und für die, die noch an ihrer Nikotinsucht arbeiten, eine kleine Raucherecke. Auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiss, lobte den ungewöhnlichen Festort: In ihrer Heimat, dem Ruhrpott, nenne man so etwas „eine geile Location“. Aufgefallen war ihr im Treppenhaus der Spruch: „Jeder weiß, wie er heißt. Wie viele wissen, wer sie sind?“ Ob das auch zu Politikern passe?

Weiss entschuldigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und witzelte an seiner Stelle: „Es kommt ja nicht so oft vor, dass ein Gesetz mit einem Festakt gefeiert wird.“ Sie würdigte die Anstrengungen aller, die vor zwanzig Jahren zum nun gefeierten Gesetz geführt hatten: „Eigentlich hätte ich ja auch Herrn Seehofer mitbringen müssen.“ Damals hätten Union und SPD „in freundschaftlichem Wettbewerb“ gestanden, der Bundesrat, der zu überzeugen war, sei SPD-dominiert gewesen, kurz: Einfach war es auch nicht, so wie heute. Man habe also quasi „schon für die große Koalition geübt“. Und: „Wer weiß, Frau Kollegin Klein-Schmeink, wo dieser Zug noch hinfährt?“

Weiss ging auch auf die jüngsten Reformbestrebungen ein, den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung. „Es ist gut, dass der Entwurf da ist“, betonte sie. Er sei notwendig, weil man heute offener mit psychischen Erkrankungen umgehe und deshalb ein großer Versorgungsbedarf bestehe, den man auffangen wolle und müsse. Zum umstrittenen Modellstudiengang Psychopharmakologie äußerte sich die Staatssekretärin nicht, wohl aber zum zweiten großen Streitpunkt mit den Psychotherapeuten angesichts des TSVG-Entwurfs: einer gesteuerten psychotherapeutischen Versorgung. Es gebe Dinge, die noch zu verbessern seien, so „der gut koordinierte Zugang zur Therapie“. Weiß unterstrich die kooperative Haltung des Bundesgesundheitsministeriums: Spahn sei hier offen für Lösungen. Man sei sich ja doch auch einig, dass es noch Handlungsbedarf gebe. Gemeinsam werde man eine Lösung finden.

Kammerpräsident Munz würdigte als Erstes das Gesetz von vor 20 Jahren und alle, die dafür gekämpft hatten. Heute sei man ein eigenständiger Heilberuf, verkammert, ein weiterer Player im Gesundheitswesen. Man sei in die vertragsärztliche Versorgung integriert und habe gleichzeitig erreicht, dass man eigenständig und eigenverantwortlich behandeln könne.

Dass man in „ein bisschen handwerklicher Atmosphäre“ feiere, passe: Mit dem neuen Gesetzentwurf sei man ja quasi auch auf einer Baustelle. Er komme den Vorstellungen der Kammer „schon recht nahe“, aber man sehe auch noch einigen Verbesserungsbedarf, so seine Botschaft in Richtung Bundesgesundheitsministerium. In Richtung von Ärzteschaft und Krankenkassen, die den Entwurf teilweise sehr deutlich kritisiert hatten, erklärte Munz, man werde sicher miteinander noch weiterkommen und zu einem Gesetz gelangen, „mit dem alle gut leben können. Aber am besten damit leben können müssen wir.“  Und wie das so sei mit 20-Jährigen: Sie stürmten schon einmal vor, stritten sich auch gern – gut sei es dann, konstruktiv zu bleiben.

Daran ist offenbar allen gelegen, wenn man die Gästezusammensetzung interpretiert. In der Fabrik 23 plauderten unter anderem wichtige Vertreter der Ärzteschaft (darunter Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery und Dr. Ulrich Clever von der Bundesärztekammer sowie Dr. Andreas Gassen und Dr. Thomas Kriedel von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie Dr. Irmgard Pfaffinger vom Berufsverband der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), Repräsentanten vieler psychotherapeutischer Berufsverbände und Landeskammern, der Krankenkassen, unter anderem Johann-Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband, und des Bundestages (Dirk Heidenblut MdB, SPD, Maria Klein-Schmeink MdB, Bündnis 90/Die Grünen). Die Gastgeber werden es zufrieden registriert haben. Nicht nur 20-Jährige gucken ja genau, wer zu Feten kommt und wer wegbleibt.

 

 Redaktion / Sabine Rieser


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