Einheitliche Kassenaufsicht – aber nicht allein in der Zuständigkeit des Bundesversicherungsamtes

Maria Klein-Schmeink MdB, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

Die Selbstverwaltung ist ein charakteristisches Element des deutschen Gesundheitswesens, das sich u.a. auch dadurch von staatlichen, steuerfinanzierten Systemen unterscheidet. Dieses Prinzip hat sich im Grunde bewährt, ist inzwischen jedoch reif für eine Modernisierung. So brauchen wir über den Ausgleich von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen hinaus eine viel stärkere Patientenorientierung und -beteiligung. Zudem müssen die interprofessionellen Ansätze über alle Berufsgruppen hinweg, die sektorübergreifende, regionalverankerte Versorgung und die Geschlechtergerechtigkeit in den Gremien der Selbstverwaltung abgebildet werden.

Die schwarz-gelbe sowie die schwarz-roten Koalitionen haben die notwendigen Reformen lange liegen lassen, die Spahnschen Gesetzesentwürfe schießen jedoch zumeist haarscharf vorbei oder lassen die notwendige Sorgfalt vermissen.

 

Wettbewerbliches Handeln nach denselben Maßstäben

Der Gesetzentwurf für eine Reform des Morbi-RSA enthält eine Vielzahl sinnvoller Regelungen, wie die vollständige Berücksichtigung aller Krankheiten sowie regionaler Besonderheiten. Richtig ist auch, dass mit dem Gesetzentwurf das Thema Aufsicht adressiert wurde. Denn eine gemeinsame solidarische Wettbewerbsordnung funktioniert nur, wenn auch das wettbewerbliche Handeln der Krankenkassen überall nach denselben Maßstäben beurteilt wird. Allerdings schießt der im BMG bereits unter Gröhe diskutierte Vorschlag, die AOKen zu öffnen und damit alle Kassen einer bundesweiten Aufsicht beim BVA zu unterstellen, deutlich übers Ziel hinaus. Dabei geht es weniger um die AOKen, sondern um die Frage, ob es wirklich zielführend ist, dem BVA auch die Aufsicht über Versorgungsverträge mit ausschließlich regionaler Bedeutung zu übertragen.

Alle 16 Bundesländer haben deutlich gemacht, dass sie diesen Änderungsvorschlag nicht unterstützen. Der Koalitionspartner SPD hat Ähnliches mitgeteilt. Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass das Thema Aufsicht ausgeklammert wird. Das wäre jedoch nicht im Sinne der Sache. Darum plädiere ich hier für einen Kompromiss, der Bedenken der Länder aufgreift, aber dennoch zu einer Reform der Aufsicht führt: Es sollte zwar eine einheitliche Kassenaufsicht geben, aber diese sollte nicht einheitlich beim BVA liegen. Stattdessen sollte für Finanzfragen sowie für bundesweite Versorgungsverträge immer das BVA zuständig sein. Für regionale Versorgungsverträge der Krankenkassen sollten hingegen die Länderaufsichten verantwortlich sein, unabhängig davon, in wie vielen Ländern die jeweilige Krankenkasse tätig ist. Nicht immer sind diese Fragen eindeutig voneinander zu trennen. Hierfür braucht es natürlich Konfliktlösungsmechanismen.

Gelegentlich wird auch kritisiert, dass damit Länder, die bereits heute keine eigenen Aufsichten über Krankenkassen unterhalten, neue Stellen schaffen müssten. Diesem „Problem“ könnte damit abgeholfen werden, dass wenn nötig zwei bis drei Länder gemeinsam die Aufsicht über alle in der jeweiligen Region tätigen Krankenkassen führen. Gerade für Ballungsräume mit ihren Verflechtungsbeziehungen wäre dies eine Option.

Allerdings sei daran erinnert, dass in den vergangenen Jahren aus guten Gründen etliche Versorgungsaufgaben auf die Landesebene übertragen wurden. Etwa bei den 90a-Gremien, der ärztlichen Bedarfsplanung usw. Zu keinem Zeitpunkt wurde dabei moniert, dass die Länder hierfür kein Personal hätten. Denn es hat auch seinen Charme, wenn die Länder ihre ja unbestrittene Wächter-Funktion bei der Sicherstellung der Daseinsvorsorge mit einer anders als das BVA ermöglichend orientierten Aufsicht über die Krankenkassen kombinieren würden. Jedenfalls ist es aus meiner Sicht lohnenswerter, über diesen Kompromiss und die damit entstehenden Möglichkeiten nachzudenken, als auf seiner jeweiligen Position zu beharren und damit zu riskieren, dass am Ende bei der Kassenaufsicht alles beim Alten bleibt.

 

Patientenvertreter in den Medizinischen Diensten ist richtig

Auch die Lösung der engen Bindung zwischen den Medizinischen Diensten und den Krankenkassen halte ich für sinnvoll. In einer stärkeren Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste sehe ich einen echten Mehrwert für die Patientinnen und Pflegebedürftigen. Dass die Medizinischen Dienste, die über die Gewährung von Leistungen entscheiden, von den Krankenkassen abhängig sind, die diese Leistungen finanzieren, fördert nicht gerade das Vertrauen in die gesetzliche Krankenversicherung.

Darum ist es auch gut, dass die Verwaltungsräte der Medizinischen Dienste künftig auch mit Vertretern von Patienten und Verbrauchern besetzt sein sollen. Vor diesem Hintergrund ist es mir allerdings unverständlich, warum die ehrenamtlichen Vertreter, die die Beitragszahler repräsentieren, aus dem Verwaltungsrat des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen ausgeschlossen werden sollen. Statt die soziale Selbstverwaltung, über die die Versicherten Einfluss auf die Belange der Kassen nehmen können, abzuschaffen, sollte sie reformiert werden. Nötig ist eine Aufwertung der Sozialwahlen, etwa durch verpflichtende Urwahlen sowie eine stärkere Repräsentanz von Frauen in den Verwaltungsräten.

 

Erprobungsverfahren stärker an Zentren bündeln

Was die Rolle des Gemeinsamen Bundesausschuss betrifft, so ist es zweifellos richtig, dass manche Verfahren zur Methodenbewertung zu lange dauern. Darum sind Anreize für eine zügige Bewertung gut. Es ist auch denkbar, das Evidenzniveau an das Risikoniveau und die Verfügbarkeit von Ergebnissen für die jeweiligen Methoden anzupassen. Aber dass allein bei der Feststellung von Potential einer neuen Methode sofort eine Erprobung stattfinden muss, in die dann auch noch so viele Versicherte bzw. Patienten wie möglich einbezogen werden sollen, bedeutet faktisch die Abschaffung der bisherigen Bewertung von medizinischem Nutzen und Risiko. Hier wäre es sinnvoll, die Erprobungsverfahren stärker an geeigneten Zentren zu bündeln. Auf der Strecke bleibt dabei die Patientensicherheit, denn nicht jede neue Methode bringt einen echten Nutzen für die Patientinnen und Patienten.


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