24.06.2025
Doris Pfeiffer – die Grand Dame der GKV geht in den Ruhestand





















Ein großes Wiedersehen mit Weggefährten, Reden voller Wertschätzung, Lob für eine außergewöhnliche Frau – so wurde Doris Pfeiffer nach 18 Jahren als Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands und insgesamt 36 Jahren Engagement für die gesetzliche Krankenversicherung in den Ruhestand verabschiedet. In das Berliner Humboldt Carré hatte der GKV-Spitzenverband geladen, um seiner langjährigen Chefin einen würdigen Abschied zu bereiten. Am 30. Juni endet ihre Amtszeit offiziell.
Klarheit, Kompetenz, akribische Vorbereitung, immer ein offenes Ohr für die Mitarbeiter – kein böses Wort fällt an diesem Nachmittag über Doris Pfeiffer. Im Gegenteil: Stefanie Stoff-Ahnis, Vizevorständin, bringt es auf den Punkt, sie nennt Pfeiffer die „Grand Dame der GKV“. Sie hinterlässt ein gut geführtes Haus – ruhig, stabil, verlässlich.
Was zuerst an Doris Pfeiffer bei Reden oder Statements auffällt, ist ihre Stimme. Tief, ruhig – wie eine dezente Mahnung: freundlich, aber endgültig. Wer glaubte, sie würde im Ton nachgeben, wurde schnell eines Besseren belehrt. Sie brauchte keine Bühne. Ein Satz – ruhig, knapp – und die Richtung war gesetzt.
Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), erinnert sich in seiner Rede: Pfeiffer habe ihn manches Mal in den Wahnsinn getrieben – allerdings nicht durch Emotion, sondern durch Gründlichkeit. Nie habe sie vorschnelle Urteile gefällt, sondern abgewogen, durchdacht, ruhig. Ihr Handeln sei von innerer Überzeugung getragen gewesen – nicht verwalten, sondern gestalten. Das, so Hecken, unterscheide sie von anderen. Pfeiffer sei ein Vorbild, sagt er: für Kompetenz, für Haltung, für Disziplin. Amüsiert fragt er sich: „Wieso hat er das nicht gelernt?“ Hecken liefert die Antwort: „Da muss man mit leben.“ Das Publikum lacht. Er beschreibt Pfeiffer als Persönlichkeit ohne große Gesten – aber mit Klarheit, Sachlichkeit. Ihre stoische Gelassenheit, sagt er, sei ihm allemal lieber gewesen als faule Kompromisse.
Und dann, wie so oft, schweift Hecken doch ein wenig ab – und findet sich in der Gegenwart wieder: Der Gesetzgeber, so kritisiert er, weigere sich, verantwortlich über die Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen zu sprechen. Stattdessen würden Milliarden an Gesundheitskosten – etwa für Bürgergeldempfänger – weiter mit aus Beiträgen finanziert. Hecken zitiert aus dem Kontext der Haushaltsberatungen und stellt klar: „Der Staat ist in der Tat nicht dazu da, GKV und SPV zu sanieren – aber auch nicht, sie über Jahrzehnte zu plündern.“ Die jüngst angekündigten 800 Millionen Euro Vorauszahlung für die finanziell angeschlagene GKV seien „nichts anderes als vorgezogenes Weihnachtsgeld“.
Sieben Gesundheitsminister hat Doris Pfeiffer erlebt. Rund 170 Gesetze für die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung hat sie begleitet. Und all das mit klarem Kompass und beeindruckender Konstanz, wie Uwe Klemens, Vorsitzender des Verwaltungsrats, in seiner Rede betont.
Doris Pfeiffer wurde 2007 von den Ersatzkassen – als damalige Vorstandsvorsitzende des AEV/vdek – für den Vorstand des GKV-Spitzenverbands vorgeschlagen. Im Juni 2007 wählte sie der Verwaltungsrat zur Gründungsvorstandsvorsitzenden. Mit 99 Mitarbeitern begann sie 2008 den Aufbau – heute zählt der Verband rund 670 Beschäftigte.
„Meine Karriere ist mir nicht in die Wiege gelegt worden“, sagt Doris Pfeiffer selbst. Sie, das katholische Arbeitermädchen aus Düren, sei nach Einschätzung der Soziologen mit den geringsten Bildungschancen ins Leben gestartet. Doch die Bildungsoffensive der 1960er Jahre und vor allem „meine Eltern, die meine Schwester und mich ganz selbstverständlich bei Ausbildung und Studium unterstützt haben“, hätten ihren Weg ermöglicht. Großer Applaus – auch für ihre anwesende Mutter.
Doris Pfeiffer bedankt sich an diesem Nachmittag bei vielen: bei Volker Hansen, Verwaltungsratsvorsitzender der ersten Stunde; bei ihrer langjährigen Sekretärin Beate Behr; bei Elke Niederhausen, Leiterin des Selbstverwaltungsreferats, die ebenfalls in den Ruhestand geht; und bei Bernhard Egger, der im Namen der Belegschaft die Worte an sie richtet.
Er berichtet schmunzelnd: Pfeiffer hatte ein scharfes Auge für die deutsche Sprache – Rechtschreib- und Grammatikfehler überlebten bei ihr nicht. Der Rosenmontag war ihr heilig – da war sie singend in der Kölner Südstadt anzutreffen. Und: Bei schlechtem Kaffee hörte der Spaß für sie auf.
Besonders gerührt ist Doris Pfeiffer, als der Chor des GKV-Spitzenverbands für sie singt: „Danke, Doris Pfeiffer – es war ’ne gute Zeit.“ Sie drückt jedem Einzelnen anschließend die Hand. Einen Moment ringt sie am Rednerpult mit den Worten, die Stimme stockt kurz. Dann spricht sie – wie immer klar und doch spürbar bewegt. Der Verband, sagt sie, sei heute erwachsen. Was einst ein ungeliebtes Kind war, sei längst ein anerkanntes, vielleicht sogar das wichtigste Element in der deutschen Gesundheitspolitik geworden.
„Ich bin stolz, dass wir das gemeinsam erreicht haben – und dankbar, dass ich Teil dieses Weges sein durfte.“ Nun freue sie sich darauf, nicht länger Sklavin ihres Terminkalenders zu sein. Dinge mit mehr Zeit, mehr Gelassenheit anzugehen – das sei jetzt der Plan. Zum Abschied gibt sie noch einen Rat mit auf den Weg: „Ich fordere alle auf, trotz aller Notwendigkeit von Veränderung den Grundsatz der solidarischen Krankenversicherung zu erhalten und weiterzuentwickeln.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Fina Geschonneck
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