15.04.2021
Die Mammutaufgabe „Pflegereform” wird uns noch länger begleiten
Erich Irlstorfer MdB, pflegepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
Die Langzeitauswirkungen einer Corona-Infektion auf die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen ist ein „schlafender Gigant“. Aktuell kämpfen wir noch primär mit den direkten Folgen, aber spätestens nach dem Erreichen der Herdenimmunität durch eine entsprechende Anzahl an Corona-Schutzimpfungen wird uns bewusst werden, wie weitreichend und tiefgreifend die gesundheitlichen Auswirkungen sind. Schon jetzt haben schätzungsweise zehn Prozent der Betroffenen mit Folgeschäden zu kämpfen. Dazu zählen Antriebslosigkeit, kognitive Symptome und Luftnot.
Deshalb muss die Politik aktiv werden und prophylaktisch dagegenwirken. Die Forschung muss durch Weichenstellungen in diesem Bereich gestärkt werden, um so die Prävention, Diagnose, Therapie und Versorgung zu verbessern. Auf Bundesebene hat dies bereits mit der Neugründung zweier Zentren der Gesundheitsforschung zu den Themen psychische Gesundheit sowie Kinder- und Jugendgesundheit begonnen.
Verein gegründet mit Blick auf Langzeitschäden durch Corona
Doch nicht nur die Forschung, sondern auch die Vernetzung der Betroffenen untereinander ist für mich ein essentieller Eckpfeiler einer Strategie im Umgang mit den Langzeitfolgen. Da ich selbst zum Beginn des Jahres an Covid-19 erkrankte und einen 5-wöchigen Rehaaufenthalt antreten musste, weiß ich, wovon ich spreche, wenn ich sage: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Ebenso wie die tatsächlichen Behandlungen hat es mir gutgetan, mit anderen Menschen zu sprechen, die ebenfalls an Covid-19 erkrankt sind.
Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, einen Verein zu gründen, welcher sich erstmal primär in den Landkreisen Freising, Pfaffenhofen a.d. Ilm und Neuburg-Schrobenhausen bewegt, aber durchaus auch für den nationalen und internationalen Bereich konzipiert ist. Der „Verein für durch Covid-19 Erkrankte und Langzeitgeschädigte sowie deren Angehörige zur Information, Aufklärung und Selbsthilfe“ (ELIAS e.V.) soll Probleme und Anliegen der Mitglieder in den Mittelpunkt stellen. Darüber hinaus soll der Verein auf zwei weiteren Säulen basieren: einem regionalen Corona-Beirat mit fachspezifischen Persönlichkeiten, Gremien und Organisationen aus den drei Landkreisen Freising, Pfaffenhofen a.d. Ilm und Neuburg-Schrobenhausen. Letztere sollen einen Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln, indem Interessensvertreterinnen und -vertreter aus verschiedensten gesamtgesellschaftlichen Bereichen beteiligt werden. Die Bandbreite reicht von medizinischem bzw. pflegerischem Fachpersonal sowie Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitsdienst über Kulturschaffende, Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler bis hin zu Vertreterinnen und Vertretern der Kirchen, etwaiger Vereine oder sozialer Körperschaften.
Natürlich dürfen andere ebenso brennende und eng vernetzte Themen wie die Pflege nicht vergessen werden. Stellt sich tatsächlich heraus, dass ein nicht zu unterschätzender Teil der Gesellschaft Spätfolgen einer Covid-19 Erkrankung erleidet, wird dies auch die Pflege zu spüren bekommen und darauf muss sie vorbereitet werden. Vor allem die zeitlich flexibleren Angebote, wie die Tages- oder Kurzzeitpflege, sollten dann vermehrt zur Verfügung stehen und die Betroffenen sowie deren Angehörige entlasten. Das muss auch im Rahmen der Pflegereform angesprochen werden.
Ablehnung der Pflegebürgerversicherung
Die Reform der Pflege ist ein Thema, das mich in meiner Funktion als pflegepolitischer Berichterstatter und Sprecher der CSU-Landesgruppe die vergangenen acht Jahre beschäftigt hat und für deren machbare Umsetzung ich immer noch brenne. Ich begrüße deshalb den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn MdB, noch in dieser Legislatur eine Lösung finden zu wollen. Grundsätzlich glaube ich jedoch, dass uns die Mammutaufgabe „Pflegereform“, ebenso wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie, länger begleiten wird und erst in der nächsten Legislatur vollständig umgesetzt werden kann. Meiner Einschätzung nach kann das Vorhaben nur gelingen, wenn wir auch weiterhin an den Grundstrukturen der sozialen und an Arbeit sowie Lohn gekoppelten Pflegeversicherung festhalten.
Nichtsdestotrotz brauchen wir auch hier eine Reform, aber eben innerhalb des stabilen Systems und nicht in Form einer Pflegebürgerversicherung. Beitragsstabilität und die internationale Wettbewerbsfähigkeit für Arbeit und Dienstleistungen müssen dabei unbedingt gesichert bleiben.
Pflegekräfte nach Tarif bezahlen
Darüber hinaus muss die Politik in Zusammenarbeit mit den Trägern und den Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen innerhalb der Profession Pflege sorgen. Dazu gehört auch, Anreize zu schaffen und diejenigen zu entlohnen, die mehr arbeiten wollen und können. Daher bin ich ein Befürworter einer Überstundenregelung, die vorsieht, Überstunden nach monatlichem Rhythmus auszubezahlen, ohne sie mit Beträgen oder Steuern zu belasten (Brutto gleich Netto). In diesem Zusammenhang ist auch der dritte Punkt zu nennen: Eine Bezahlung nach Tarif. Diesen Punkt sehe ich als essentiell an, um die Vergütung auf ein ordentliches Niveau zu bringen, dort stabil zu halten und damit den Pflegeberuf langfristig attraktiver zu gestalten. Denkbar wäre ein bundeseinheitlicher Manteltarifvertrag mit regionaler Komponente, welcher sich unter anderem an dem länderbezogenen Lebenshaltungskostenindex orientiert.
Fest steht: Nach der Corona-Krise ist nichts mehr so, wie es mal war. Diese Tatsache gilt es jedoch nicht als Bedrohung, sondern als Gestaltungsauftrag zu sehen – auch und gerade aus gesundheitspolitischer Sicht. Sie hilft uns, die wirklich wichtigen Dinge zu erkennen, wertzuschätzen und mit passgenauen Verbesserungen zu stärken. Als Abgeordneter blicke ich deshalb mit Zuversicht in die Zukunft und bin fest entschlossen, mich auch weiterhin mit all meiner Kraft und all meinen verfügbaren Mitteln für unsere Gesellschaft einzusetzen.
Alle Kommentare ansehen