Die CSRD-Gesetzgebung und andere Bürden der Bundesregierung

Prof. Dr. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts

Die CSRD-Richtlinie der EU, die eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Unternehmen ab 2024 und für kapitalmarktorientierte KMUs ab 2025 vorschreibt, muss in nationales Recht umgesetzt werden. Auch Gesundheitseinrichtungen sind von der CSRD-Richtlinie betroffen sein, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Deutschland hat die Frist zur Umsetzung bis Juli 2024 jedoch verpasst. Aufgrund dieser Verzögerung hat die Europäische Kommission am 26. September ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Für Prof. Dr. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung des IGES Instituts, Anlass genug, das Thema intensiver zu beleuchten.

Bis Ende Juli sah es so aus, als ob die Novelle des Umsetzungsgesetzes zur CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) der Europäischen Union denselben Neglect erfahren sollte, wie wir es von der Reform des Arbeitszeitgesetzes kennen (Häussler, B., Irps, S. 2024). Im Referentenentwurf zum 6. Juli 2024 angekündigt, fand es sich bis Ende Juli nicht einmal auf der Agenda des Bundeskabinetts, wo es dann doch Ende Juli erschienen ist. Eine wenig energiegeladene Behandlung des Themas wird auch durch die Erklärung des Justizministers verständlich, der am 24. Juli erklärt hat, dass die Bundesregierung nun doch gehandelt hat und einen Gesetzentwurf vorgelegt hat.

Der Minister erklärt aber in geradezu erschütternder Offenheit: „Es ist kein Geheimnis, dass ich darüber nicht glücklich bin. Die neuen Regelungen bedeuten eine drastische Mehrbelastung für die Unternehmen.“ Daher will sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen (werden), die sehr umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung wieder deutlich zu reduzieren.“ (Bundesministerium der Justiz 2024)

 

Lieferkettengesetz eng mit CSRD-Gesetzgebung verbunden

Eigentlich unglaublich, dass ein Minister seine bzw. die Aktivität seiner Bundesregierung als schädlich für die deutsche Wirtschaft deklariert, die sowieso schon mit x-erlei Belastungen beladen ist. Warum er es dennoch tut: „Deutschland setzt die CSR-Richtline um, dazu sind wir nach EU-Recht verpflichtet.“ Der Kanzler haut ein paar Wochen später auf dem Arbeitgebertag in dieselbe Kerbe als er zum Lieferkettengesetz sagt: „Das ist Quatsch“. Und: „Das kommt weg.“ (Klauth 2024)

Das Lieferkettengesetz ist jedoch mit dem CSRD-Umsetzungsgesetz eng verbandelt. Hier muss berichtet werden, was dort getan wird. Dass es zu keiner doppelten Berichtspflicht kommt, hält sich der Justizminister zugute. „Gleichzeitig versuchen wir die zusätzlichen Lasten für die Wirtschaft abzufedern: Unternehmen, die nach den europäischen Vorgaben berichten werden, müssen dann nicht mehr nach dem deutschen Lieferkettengesetz berichten. So verhindern wir zumindest doppelte Arbeit.“ (Bundesministerium der Justiz 2024)

Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 27. September 2024 in dieselbe Kerbe, indem er pauschal einen um 25% reduzierten Umfang der Nachhaltigkeitsberichterstattung fordert, wobei nicht bezeichnet wird, welches Viertel den wegfallen soll (Deutscher Bundestag 2024). Im Übrigen fordert der Bundesrat, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für eine Abschwächung stark mache. Die Bundesregierung verspricht es zu tun, nennt aber auch hier keine Details. Auch in ihrer Wachstumsinitiative punktet sie mit diesem vagen Versprechen: „Zudem werden wir uns bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen, die sehr umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD deutlich zu reduzieren.“ (Bundesregierung 2024) Die wichtigste Stoßrichtung der Länderkammer aber scheint zu sein, dass der Kreis der zugelassenen Prüfer über die Gruppe der Wirtschaftsprüfer hinaus erweitert werden soll. Die relativ neue Spezies der Umweltgutachter könnte dann von diesem lukrativen Markt profitieren.

Ein ähnlicher Fall liegt bei dem – ebenfalls EU-induzierten – Vorstoß zur allgemeinen Arbeitszeit-Dokumentation vor. Auch sie ein vielfach für überflüssig gehaltener Eingriff in eine funktionierende Wirtschaft. Die Bundesregierung agiert hier geräuschlos, indem sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf den Standpunkt stellt, dass die Arbeitgeber genug Vorgaben hätten, um die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes umzusetzen (BMAS 2024). Dennoch warten alle zurecht auf die Reform des Arbeitszeitgesetzes, die in geübter Weise die Umsetzung von EU-Anforderungen aufgreifen soll (siehe CSRD). Sie ist seit Ende 2022 überfällig. Es gibt sie aktuell nicht, nur einen Regierungsentwurf seit April 2023.

 

Bundesregierung geht auf Distanz

Wir wollen hier gar nicht auf die vielen anderen Baustellen eingehen, die sich darin ähneln, als mittlerweile im Land der Eindruck der Überforderung und der Schädigung der Wirtschaft vorherrscht, was europäische Vorgaben betrifft.

Liegenlassen, sich über „Europa“ beklagen, dessen Vorgaben als „Quatsch“ abtun. Nun geht die Bundesregierung auf Distanz zu dem, was aus Europa kommt und bei Wirtschaft und Gesellschaft im Verdacht ist, dass all die gute Absicht erstmal vor allem wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Es hat den Anschein, dass mit der Eintrübung der wirtschaftlichen Prognosen für Deutschland bei der Bundesregierung ein Sinneswandel eintritt. Man zeigt jetzt mit dem Finger auf Brüssel als dem Grund des Übels und vermittelt dem Publikum den Eindruck, dass man mit all den Gesetzen und Verordnungen aus Brüssel nichts zu tun hätte. Dem ist mitnichten so – ein Blick auf die Kompetenzen des Rats der Europäischen Union, in dem alle Regierungen vertreten sind, zeigt dies in aller Deutlichkeit (Das Ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der EU 2019).

Es zeigen sich jetzt massive Schwächen eines Systems, in dem die Mitgliedstaaten die EU-Institutionen schalten und walten lassen, und erst Alarm schlagen, wenn alles fertig ist, und wenn zentral agierende Lobbygruppen alles noch weiter mit Vorschriften und Bürokratie aufgeladen haben.

Die Bundesregierung hat aufgrund der Bedeutung des Landes und seiner bisher europafreundlichen Haltung nicht die Wahl, den Weg vieler EU-Länder einzuschlagen, es mit der Umsetzung nicht ernst zu nehmen und zur Methode „liegenlassen und klagen“ zu greifen. Sie muss – am besten aus dem Kanzleramt heraus – die Entstehung von EU-Rechtsakten engmaschig begleiten und rechtzeitig (!) eingreifen, wenn EU-Gesetze entwickelt werden, deren Konsequenzen Bürger und Unternehmen wirtschaftlich und/oder praktisch überfordern.

 

Literatur

  • BMAS (2024): Fragen und Antworten zur Arbeitszeiterfassung. Website. Online verfügbar unter https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Arbeitnehmerrechte/Arbeitszeitschutz/Fragen-und-Antworten/faq-arbeitszeiterfassung.html, zuletzt aktualisiert am 29.10.2024, zuletzt geprüft am 29.10.2024.
  • Bundesministerium der Justiz (2024): Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen: Europäische Vorgaben sollen möglichst bürokratiearm ins deutsche Recht umgesetzt werden. Pressemitteilung vom 24. Juli 2024. Online verfügbar unter https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/0724_CSRD.html.
  • Bundesregierung (2024): Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland. Online verfügbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/976020/2297962/ab6633b012bf78494426012fd616e828/2024-07-08-wachstumsinitiative-data.pdf?download=1, zuletzt geprüft am 02.11.2024.
  • Das Ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der EU. Europawahl 2019. Neuer Schwung in schweren Zeiten? (2019). In: Praxis Politik (2).
  • Deutscher Bundestag (2024): Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen – Drucksache 20/12787 – Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung. Drucksache 20/13256 (zu Drucksache 20/12787). Hg. v. Deutscher Bundestag. Online verfügbar unter https://dserver.bundestag.de/btd/20/132/2013256.pdf, zuletzt geprüft am 31.10.2024.
  • Häussler, B., Irps, S. (2024): Die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor den Toren der Gesundheitswirtschaft – Observer Gesundheit. In: Observer Gesundheit online (25.6.2024). Online verfügbar unter https://observer-gesundheit.de/die-nachhaltigkeitsberichterstattung-vor-den-toren-der-gesundheitswirtschaft/, zuletzt geprüft am 29.10.2024.
  • Klauth, Jan (2024): Arbeitgebertag: „Missratenes Bürgergeld“? Da versteinert sich Scholz‘ Miene sofort. In: WELT, 25.10.2024. Online verfügbar unter https://www.welt.de/wirtschaft/plus254133152/Arbeitgebertag-Missratenes-Buergergeld-Da-versteinert-sich-Scholz-Miene-sofort.html?icid=search.product.onsitesearch, zuletzt geprüft am 27.10.2024.

 

 

Lesen Sie zu diesem Kommentar als Basis-Analyse auch:

„Die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor den Toren der Gesundheitswirtschaft“, Observer Gesundheit, 25. Juni 2024.


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