Das Sommerfest des GKV-Spitzenverbandes mit einer Bundesgesundheitsministerin in Erklärungsnot

Beifall für die Vorstandsvorsitzende des GKV-SV mit einem mürrisch dreinblickenden Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (3.v.l.)
18 Jahre hat Doris Pfeiffer den GKV-SV hauptamtlich geführt. Ihre letzte Rede hält sie beim Sommerfest.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken ist das erste Mal beim Sommerfest des GKV-Spitzenverbandes.
Martin Degenhardt (FALK) mit Carola Reimann (AOK-BV)
Die beiden Verwaltungsratsvorsitzenden des GKV-SV Susanne Wagenmann und Uwe Klemens
Frauengespräche und / oder gesundheitspolitische Diskussion? Doris Pfeiffer (GKV-SV) und Bundesgesundheitsministerin Nina Warken
In den Ruhestand geht auch Elke Niederhausen, Stabsbereichsleiterin Selbstverwaltung im GKV-SV, (l.) verabschiedet von Susanne Wagenmann (GKV-SV).
Wie in jedem Jahr zum Sommerfest spielt das Dirk Engelhardt Quartett.
Stefanie Stoff-Ahnis (GKV-SV), Kai Joachimsem (BPI), Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (v.r.n.l.)
Verwaltungsrat und Vorstand sowie der baldige neue Vorstandsvorsitzende des GKV-SV: Susanne Wagenmann, Martin Krasney, Stefanie Stoff-Ahnis, Doris Pfeiffer, Oliver Blatt, Uwe Klemens (v.l.n.r.)
Brigitte Gross (DRV) und Dieter F. Märtens (TK)
Maria-Lena Weiss MdB, CDU, Peter Weiß, Bundeswahlbeauftragter für die Sozialversicherungswahlen, Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, Ulrike Elsner (vdek) (v.l.n.r.)
Da kann er endlich wieder über die Gesundheitspolitik plaudern: Ex-Minister Karl Lauterbach (r.) mit Stefanie Stoff-Ahnis und Martin Krasney (beide GKV-SV).
Boris Velter (2.v.r.) ist weiterhin aktiv für die Gesundheitspolitik als Bundesvorsitzender der ASG.


Das Sommerfest des GKV-Spitzenverbandes stand für die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken unter keinem guten Stern. Noch am Vormittag hatte das Bundeskabinett nur zwei Darlehen für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung (SPV) gebilligt und nicht die erhofften stabilen ergänzenden Bundeszuschüsse – nun musste Warken am Abend diese Darlehen gerade im Kassenlager als politischen Erfolg verkaufen. Die neue Sprachregelung: „kurzfristig eingreifen, bis die Strukturreformen greifen“.

Mit verbindlichem Ton erklärte Warken den zahlreich erschienenen Gästen: „Bezahlbarkeit der GKV heißt: Wie bringen wir Einnahmen und Ausgaben in Balance – und zwar möglichst langfristig.“ Scharf beobachtet wurde sie dabei von ihrem Vorgänger Karl Lauterbach. Der hatte sich demonstrativ in die erste Reihe gestellt – gut sichtbar für die neue Ministerin. Kein Lächeln, kein Nicken, stattdessen eine steinerne Miene. Ein Signal, das nicht übersehen wurde.

Warken ließ sich äußerlich nichts anmerken. Sie führte aus, wie sie die GKV-Finanzen stabilisieren will – zunächst mit Bundesmitteln, die auch den GKV-Anteil am Transformationsfonds umfassen. Und dann legte sie nach: „Durch diese Eingriffe dämpfen wir drohende Beitragssatzanhebungen.“ Der finanzielle Druck aber bleibe bestehen. Warken: „Langfristig müssen Finanz- und Strukturreformen gelingen, damit unterm Strich auch die Bilanz stimmt.“ Im Klartext: Beitragssatzsteigerungen kommen.

Die Grundlage für diese Strukturreformen sollen die Vorschläge einer Kommission bilden, die laut Koalitionsvertrag erst im Frühjahr 2027 vorliegen sollen. Warken kündigte jedoch an, ungeduldiger sein zu wollen als der Zeitplan es vorsieht: „Und das werden wir im Auftrag auch an die Kommission formulieren.“ Ein Raunen ging durch den Saal. Was bedeutet „ungeduldig“? Bislang scheint ihr Druck kaum Wirkung entfaltet zu haben.

Bereits im Vorfeld hatte sie mehrfach betont, dass nicht bis 2027 gewartet werden könne. Beitragssatzsteigerungen sollten möglichst vermieden werden. Sie forderte, die Behandlungskosten für Bürgergeldempfänger vollständig über den Bundeshaushalt abzudecken – rund zehn Milliarden Euro. Doch dieser Punkt spielte im Kabinett bislang keine Rolle.

Warken will künftig stärker auf die Selbstverwaltung setzen. „Hier steckt viel Erfahrungswissen und Kompetenz. Darauf können und werden wir uns bei den anstehenden Aufgaben stützen – und darauf werde ich nicht verzichten“, so die Ministerin. Ein klarer Kontrast zu ihrem Vorgänger.

Karl Lauterbach wurde von ihr ausdrücklich erwähnt – im Zusammenhang mit den Abschiedsworten an Doris Pfeiffer, der langjährigen Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes. Diese habe sich zu Beginn ihrer Amtszeit vor 18 Jahren kaum vorstellen können, dass viele der damaligen Probleme noch heute ungelöst seien: Über-, Unter- und Fehlversorgung, mangelnde Transparenz, fehlende Ambulantisierung, Sektorendenken. Trotz zahlreicher Reformen: die selben Baustellen, andere Gesichter. Sie ist sichtlich stolz auf die gesetzliche Krankenversicherung: Sie habe bewiesen, dass Solidarität, hohe Qualität Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch seien. „Die GKV ist ein Schatz“, betonte sie. Und der GKV-Spitzenverband habe dabei eine besondere Bedeutung, sei nicht mehr wegzudenken, ein verlässlicher Partner, auch kritischer Mahner, der die Krankenkassen stärke. Neben der Bundesgesundheitsministerin lobte auch Susanne Wagenmann, alternierende Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-SV, die Arbeit der scheidenden Vorstandsvorsitzenden. Wagenmann sagte Danke – im Namen der Selbstverwaltung.

Für Doris Pfeiffer endet eine Ära – sie geht in den Ruhestand. Bereits am Nachmittag zuvor hatte der GKV-Spitzenverband sie gebührend verabschiedet. Nina Warken hingegen steht am Anfang einer schwierigen Amtszeit. Und Karl Lauterbach? Der nutzte das Sommerfest, um zahlreiche Gespräche zu führen – als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung. Dass Lauterbach der Ministerin weiterhin genau auf die Finger schauen wird, darf als gesetzt gelten. Auch wenn dies als ehemaliger Gesundheitsminister nicht angemessen ist, der noch dazu den größten Beitragssatzsprung der letzten Jahrzehnte zu verantworten hat.

Für Bundesgesundheitsministerin Nina Warken war es ein Abend unter Beobachtung – mit durchinszenierten Botschaften, viel Vorsicht und wenig Konkretem. Wer auf klare Perspektiven gehofft hatte, wurde vertröstet.

Doch das Sommerfest selbst zeigte sich von seiner besten Seite: ein stimmungsvoller Rahmen, zahlreichen Begegnungen, ein Forum für Austausch und politische Gespräche abseits der Tagesordnung – und dem Wissen, dass die eigentlichen Konflikte erst noch kommen.

 

Fina Geschonneck

 

Lesen Sie auch:

„Doris Pfeiffer – die Grand Dame der GKV geht in den Ruhestand“, Observer Gesundheit, 24. Juni


Observer Gesundheit Copyright
Alle Szenebeiträge ansehen