Das IQTIG feiert zehnjähriges Jubiläum

Die Jubiläumsveranstaltung des IQTIG ist gut besucht.
Institutsleiter Claus-Dieter Heidecke begrüßt die Gäste anlässlich des zehnjährigen Bestehens des IQTIG.
Engagiert wie immer ist Josef Hecken (G-BA) bei seiner Rede.
Gut gelaunt sind Matthias Rose (Charité), Martin Krasney (GKV-SV) und Konstanze Blatt (IQTIG) (v.l.n.r.)
Doris Pfeiffer (GKV-SV) während ihres Grußwortes
Die Herausgeber des „Weißbuch datengestützte Qualitätssicherung im Gesundheitswesen“: André Dingelstedt (KHSB), Silvia Klein und Claus-Dieter Heidecke (beide IQTIG) (v.l.n.r.)
Claus-Dieter Heidecke (IQTIG) im Gespräch mit Ulrike Nimptsch und Reinhard Busse (beide TU Berlin) (v.l.n.r.)
Doris Pfeiffer mit Bernhard Egger (beide GKV-SV)


Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) wird zehn. Die Kindheit ist vorbei, und die Kinderkrankheiten sind ausgestanden. Nach heftiger Kritik im G-BA hatte Claus-Dieter Heidecke das IQTIG nach seinem Amtsantritt als Leiter des Instituts wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt. In Plenumssitzungen des G-BA behält er stets die Ruhe. Gerät er ins Kreuzfeuer einer Qualitätsdebatte, gibt Heidecke deutlich zu verstehen: Das IQTIG hat keine eigenen Eisen im Feuer.

Es erfüllt die Aufträge des G-BA – bei begrenzten Ressourcen und oft schwieriger Datenlage – so schnell es eben geht. Mit der Seniorität aus vier Jahrzehnten Chirurgie und Erfahrung in der Hochschulleitung (Greifswald) konnte Heidecke seinerzeit die Wogen glätten. Das Institut erfüllt die Aufträge des G-BA mittlerweile meist pünktlich, und die Kritik im G-BA ist verstummt. Nur eine ambitionierte Patientenvertreterin schimpft noch unverdrossen weiter. Das dürfte aber eher ein persönliches Problem sein; jedes Gremium hat seine Sitzungsfolklore.

Was aber kommt nun? Mit dem Jubiläum startet das Institut in eine neue Lebensphase. Auf die Kindheit folgt bekanntlich die Pubertät. Dann sucht der jugendliche Geist sich neue Wege – wenn nötig auch gegen die gewohnten Autoritäten. Das könnte interessant werden. Schließlich ist das IQTIG ein leibliches Kind der Selbstverwaltung, und nichts eint die G-BA-Granden so sehr, wie das unerschütterliche Selbstbild: Die Autorität, das sind wir. Erste Vorboten einer neuen Entwicklung sind schon bei der Eröffnung des Festaktes zu erkennen. Nach einem unverfänglichen Plädoyer für eine „Entfesselung“ der Qualitätssicherung und eine neue „Qualitätsinitiative“ gibt IQTIG-Chef Heidecke einen vieldeutigen Ausblick. Er erklärt: „Wir wollen uns einbringen und – wenn gewollt – auch mitgestalten“. Das klingt wie eine Ansage. Sucht da ein jugendlicher Geist nach neuen Wegen? Die Ausgangslage für ein neues Rollenverständnis des IQTIG wäre gut. Dem Institut stehen laut Satzung bis zu 10 % der Haushaltsmittel für eigene Projekte zur Verfügung – ganz ohne Auftrag. Und: Das IQTIG kann vom BMG direkt um Empfehlungen gebeten werden – ganz ohne G-BA.

Das gefällt natürlich nicht jedem. Insbesondere G-BA-Chef Josef Hecken hadert damit, dass der G-BA im Zuge der Krankenhausreform an Kompetenzen verliert und das IQTIG beim Klinikatlas dem BMG nun direkt zuarbeitet. Der Auftakt seines Grußwortes gerät daher leicht ungehalten. Hecken wechselt aber schnell die Tonlage und hält seine gewohnt flammende Rede für die Qualitätssicherung, die er – wen wundert´s – nur beim G-BA gut aufgehoben weiß. Dass im Koalitionsvertrag von „überbordender Bürokratie“ die Rede ist, erfüllt Hecken mit Besorgnis. So mancher wolle nicht nur bürokratische Fesseln abstreifen, sondern die Qualitätssicherung als Fessel gleich ganz abschaffen. Das lehnt er entschieden ab – was die Vorgaben des G-BA betrifft – deutet aber an: Anderswo könne man durchaus abspecken, z. B. beim MD: „Wenn der MD ins Krankenhaus kommt, wird die Kernseife in den Gulli gekippt“. Hecken vermutet hier offensichtlich Kurzschlusshandlungen im Krankenhaus, um Vorgaben des MD zum Verbrauch von Hygienemitteln zu erfüllen. Die Lacher hat er wie immer auf seiner Seite, auch wenn gerade Hygiene im Krankenhaus ein zentrales Qualitätsthema sein dürfte.

 

Bekenntnis und Widerspruch

Dann tritt Doris Pfeiffer ans Mikro und wählt sichtlich guter Laune einen launigen Einstieg. Erst spielt sie mit Namen und Abkürzungen. Anschließend kommentiert Pfeiffer die Arbeit des IQTIG durchwegs freundlich. Das allein ist schon ein schönes Kompliment. Die Chefin des GKV-Spitzenverbandes kann nämlich durchaus fuchsig werden, wenn sie das Gefühl beschleicht, die Entfesselung von Pflichten solle eher strategischen Zielen dienen. Im G-BA schießt sie dann scharf, manchmal emotional, aber immer zur Sache und nie gegen das IQTIG. Dessen Jubiläum nimmt sie zum Anlass, erneut zu bekennen: „Qualitätssicherung ist kein Selbstzweck“. Dokumentation mache nur Sinn, wenn ein Qualitäts-Indikator geeignet ist, ein mögliches Defizit aufzuzeigen. Damit betont Pfeiffer indirekt die Bedeutung des IQTIG, denn die Entwicklung von Qualitäts-Indikatoren gehört zu den Kernaufgaben des Instituts.

Auch eine Mitarbeiterin des IQTIG kommt zu Wort. Silvia Klein präsentiert das neue Weißbuch des Institutes. Darin geht es um „datengestützte Qualitätssicherung im Gesundheitswesen“ – ein Begriff, der Menschen aus der Praxis erschauern lässt. Klein erläutert, das Weißbuch solle als „Grundlage für die interne Positionierung“ dienen. Auch das wirkt wie eine Ansage und lässt einen wachsenden Gestaltungswillen auf der Arbeitsebene erahnen. Zu allem Überfluss widerspricht Klein noch ihrer Vorrednerin: Indikatoren bräuchten kein Defizit als Rechtfertigung; auch die Erfüllung von Zielen könne anhand von Indikatoren geprüft werden. Kurz liegt ein Hauch von Haarspalterei in der Luft. Auch das Verfehlen eines Zieles lässt sich schließlich als Defizit bezeichnen. Kleins Widerworte sind aber keinesfalls ein Selbstzweck. Es ist nun mal die Aufgabe wissenschaftlicher Institute, Aussagen kritisch zu hinterfragen – auch, wenn sie von gewohnten Autoritäten stammen. Doris Pfeiffer wird’s verkraften.

 

Die Weichen sind gestellt

Etwas schal gerät der Beitrag des scheidenden Ministers. Karl Lauterbach ist per Video zugeschaltet und liest ein grundsolides Grußwort vom Teleprompter ab. Das wirkt verwunderlich, hat Lauterbach doch gerade die Qualität der Versorgung oft in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt (und sich dabei nie auf grundsolide Worte beschränkt). Bei seiner vermutlich letzten Schalte hätte man daher etwas mehr Leidenschaft erwartet. Ein Gutes hat der ungewohnte Auftritt des Ministers in jedem Fall: Die Zuarbeit des Ministeriums kommt wenigstens am Ende seiner Amtszeit nochmal zu verdienten Ehren – wenn auch nur als Redemanuskript für ein Grußwort. Dabei hätte der Minister auch politisch eine Beziehung zum Jubilar. Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz hatte er das IQTIG als neuen Akteur seiner Krankenhausreform positioniert: Das Institut übernimmt die Kärrnerarbeit für den Klinikatlas; vorerst mit indirektem Einfluss. Die Weichen sind damit gestellt. Für das IQTIG wie für den Minister.

Insgesamt war der Festakt zum zehnjährigen Jubiläum eine würdevolle Feierstunde. Der historische Hörsaal im Langenbeck-Virchow-Haus bot ein gesetztes Ambiente, und die Redeliste orientierte sich strikt an den hierarchischen Gegebenheiten. Das wirkte sinnbildlich für den engen Rahmen, in dem sich das Institut seit seiner Gründung bewegt. Ob das IQTIG diesen starren Rahmen nun abschütteln und in eine institutionelle Pubertät starten wird, blieb an diesem Nachmittag noch unklar. Anzeichen für wachsenden Gestaltungswillen sind vorhanden. Entscheiden muss das letztlich der Chef persönlich. Claus-Dieter Heidecke wird´s richten. Auch für den 70-Jährigen gilt: Die Kindheit ist vorbei.

 

Sebastian Hofmann 

 


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