Dr. Robert Paquet

Helmut Hildebrandt, Vorstandsvorsitzender der OptiMedis AG, hat zusammen mit 18 Koautoren einen Vorschlag für die Neuorientierung des deutschen Gesundheitssystems vorgelegt: „Integrierte Versorgung als nachhaltige Regelversorgung auf regionaler Ebene“[1]. Im ersten Teil wird vor allem eine Kritik geliefert: Seit 20 Jahren habe die Einführung von (wettbewerblichen) Selektivverträgen die Idee der Integrierten Versorgung (IV) nicht wesentlich vorangebracht. Im zweiten Teil wird aus einem Perspektivwechsel auf die regionale Ebene der Vorschlag für einen neuen Anlauf unternommen. Die Autoren sind sich der Herausforderung bewusst: Ihr Ansatz würde „das Gesundheitswesen in Deutschland gravierend verändern“ (Langfassung,

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Sebastian Hofmann

Manchmal beschleicht einen das mulmige Gefühl, etwas zu verpassen. Rollt das digitale Zeitalter noch auf uns zu oder schon über uns hinweg? Wissen wir genug, um die eigene Betroffenheit nach der Zeitenwende einschätzen zu können? Nehmen wir unsere Themen an, oder lassen wir uns vom allgemeinen Hype und technischem Kauderwelsch abschrecken? Und vor allem: Was betrifft mich in meiner beruflichen Verantwortung überhaupt? Diese persönlichen Fragen werden wir alle erst in ein paar Jahren im Rückblick beantworten können.

Der politische Rahmen der Digitalisierung ist dagegen hinreichend klar: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat …

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Dr. Robert Paquet

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat am 13. August die Ergebnisse ihrer Kommission „Zukunft der Sozialversicherungen: Beitragsbelastung dauerhaft begrenzen“ vorgestellt[1]. Ereignis und Botschaft fielen weitgehend dem Sommerloch zum Opfer. Den Rest haben die dominierenden Nachrichten zur Corona-Pandemie überdeckt. Was noch „rüberkam“, war die (wenig überraschende) zentrale Forderung, das Renteneintrittsalter mit der steigenden Lebenserwartung weiter zu erhöhen (was sich auch auf Kranken- und Pflegeversicherung positiv auswirken würde). Aber auch für die anderen Sozialversicherungszweige gab es bemerkenswerte Vorschläge. Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Kranken- und Pflegeversicherung.

Wahltarife in der

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Dr. Christopher Hermann

„Der Sprung in die Zukunft, hinweg über die Bedingungen des Gegenwärtigen, landet im Vergangenen.“
Adorno, Minima Moralia

 

Anders als häufig in früheren Zeiten können sich Gesundheits- und Pflegepolitik in der laufenden Legislaturperiode in einer außergewöhnlichen öffentlichen Aufmerksamkeit sonnen. Während über lange Zeit gesetzgeberische Änderungsbestrebungen eine immer wieder zwar sporadisch aufkeimende, aber letztlich als Zeitfenster limitierte besondere gesellschaftliche Wahrnehmung erreichten, zeigt sich mittlerweile ein anderes Bild, das durch die Corona-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 nur noch markanter konturiert wird. Themen aus Gesundheit und Pflege sind in der Republik inzwischen durchaus

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Dr. Robert Paquet

Es ist zwar noch nicht vom BMG offiziell veröffentlicht. Aber das Ende 2019 beim IGES-Institut bestellte „ökonomische Gutachten zum Apothekenmarkt“ ist inzwischen bekannt geworden. Eine detaillierte Auftragsbeschreibung liegt nicht vor[1]. Ziel des BMG war jedoch, eine empirische Argumentationshilfe für den Weg des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) zur „Gleichpreisigkeit“ der Rx-Arzneimittel zu bekommen. Die im Gutachten „Analyse der Auswirkungen einer veränderten Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf den Apothekenmarkt“ basiert auf einer Beschreibung der gegenwärtigen Situation. Sie ist das „Referenz-Szenario“ für Modellrechnungen bei „partieller Aufgabe der Preisbindung nur für ausländische Versandapotheken“ und einem Boni-Verbot

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Dr. Robert Paquet

Am 31. August 1990 wurde der „Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag“ unterzeichnet. 30 Jahre später zeigt sich, dass das untergegangene Gesundheitssystem der DDR einige Elemente enthielt, die man heute der „integrierten Versorgung“ zurechnen würde[1]. Die Abwicklung der Polikliniken, der Dispensaires und des Betriebsgesundheitswesens schien damals selbstverständlich; unter dem dominierenden Eindruck der materiellen Mängel dieser Einrichtungen wurde ihr strukturelles Potential meist nicht mehr erkannt. Die ideologische und ökonomische Übermacht des „Westens“ führte bis auf wenige Ausnahmen (in Brandenburg

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Fina Geschonneck

Sie werden „Regulierungsoverkill“ oder „Reform-Marathon“ mit „überbordenden Maßnahmen“ von den Fachleuten genannt: die zahlreichen Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die deutschen Krankenhäuser in dieser Legislaturperiode. Der stationäre Bereich ist überdurchschnittlich von der gesamten Regulierung des Gesundheitssystems betroffen. Allein bis Mitte März 2020 betreffen 62 Prozent aller dieser Quellen aus der 19. Legislaturperiode die Krankenhausversorgung, so eine Auswertung des Observer Gesundheit. [1] Allerdings: Bei näherer Betrachtung sind gegenwärtig grundlegende Strukturreformen der stationären Versorgung nicht erkennbar. Dabei sind sie – umschrieben zumindest – im Koalitionsvertrag „für eine gute

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Sebastian Hofmann

Die Europäische Union befasst sich aktuell in zweierlei Hinsicht mit Arzneimittelpolitik. Schon etwas länger wird diskutiert, wie man den Nutzen neuer Arzneimittel bewerten soll – national oder europäisch? Und nach der Arzneimittel-Knappheit in der Pandemie sucht man händeringend nach Ideen, wie unrentable Arzneimittel für Hersteller wieder attraktiv werden könnten. Beide Vorhaben sind konzeptionell höchst anspruchsvoll und hätten Auswirkungen auf die Erstattung in Deutschland. Letztlich berührt die EU damit die Governance in der GKV: Was ist die (Verhandlungs-) Grundlage für neue Wirkstoffe? Soll der G-BA seine (Bewertungs-) Macht mit europäischen Gremien

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Dr. Robert Paquet

Mit dem am 29. Juli vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen“ will das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zwei Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen: Die Einführung einer „Digitalen Rentenübersicht“ (dort genannt „säulenübergreifende Renteninformation“, S. 93) und die Modernisierung der Sozialversicherungswahlen (S. 51). Außerdem geht es um ein transparentes Verfahren bei der Zulassung und Vergütung von Rehabilitationseinrichtungen für die gesetzliche Rentenversicherung. Die Regelungen zu den Sozialwahlen geben Anlass, erneut über den Sinn der Selbstverwaltung nachzudenken: Der Staat

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Dr. Florian Eckert, Robin Rüsenberg

Covid-19 war und ist ein heftiger Schock. Wie die anderen großen Krisen des 21. Jahrhunderts – 9/11, Finanzkrise – kam diese unerwartet. Risikopolitik ist immer noch angesagt (Reckwitz 2020), Entscheidungen werden unter großer Unsicherheit gefällt. Die Pandemie war nicht planbar, nicht zu erwarten und verändert den Alltag der Menschen weltweit. In Deutschland stehen die Zeichen mittlerweile auf Normalisierung, restriktive Maßnahmen werden zurückgefahren, und auch EU-weit werden zunehmend Lockerungen angestrebt. Die Phase der akuten Krisenbewältigung ist vorbei, eine neue Phase hat begonnen. Ein (lokaler) Rückfall kann aber nicht ausgeschlossen werden.

Die …

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Dr. Robert Paquet

Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und die Bevölkerung sind sich über eine Folge der Corona-Krise einig: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bekommt einen enormen Entwicklungsschub. Aber auch schon vor der Krise war das Thema eine Herzensangelegenheit von Minister Spahn, die viele seiner neuen Gesetze mitgeprägt hat. Ziemlich früh hat er dafür im BMG eine neue Abteilung eingerichtet. Das Thema hat jedoch eine lange Vorgeschichte, die mit der elektronischen Datenverarbeitung in der Sozialversicherung in den siebziger Jahren beginnt.

Wenn man Literatur und Presse verfolgt, findet sich unter dem Rubrum Digitalisierung ein Sammelsurium ganz unterschiedlicher …

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Prof. Dr. Patrick Hassenteufel

Frankreich war mit über 28.530 Todesfällen (Stand 26. Mai 2020), davon 18.195 im Krankenhaus Verstorbenen, wesentlich stärker von Covid-19 betroffen als Deutschland. In Frankreich wurden die ersten Fälle des Coronavirus in Europa überhaupt festgestellt – drei infizierte Personen kehrten am 24. Januar 2020 aus China zurück. Eine von Premierminister Edouard Philippe zitierte Studie schätzt, dass durch die vom 17. März 2020 bis 11. Mai 2020 geltende allgemeine Eindämmungspolitik 60.000 Menschenleben im Krankenhaus gerettet wurden. Seit dem 11. Mai 2020 greift eine sehr langsame Aufhebung dieser Maßnahmen, die insbesondere durch die

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