Dr. Robert Paquet

Das beginnende Jahr sollte Anlass sein, den Blick über die aktuelle Phase der Gesundheitspolitik hinauszuheben und die allgemeinen Trends über einen längeren Zeitraum zu betrachten. Vielleicht relativiert sich dabei die Kritik an den Einzelgesetzen, und die Performance der letzten 14 Jahre (von der 17. bis zur laufenden 20. Legislaturperiode des Bundestages) [1] stellt sich positiver dar als erwartet? Der Transformationsbedarf für viele Teile des Gesundheitswesens jedenfalls ist unbestritten.

 In der Tat gibt es durchgehende Themen und Bearbeitungsstränge. Das betrifft den Dauerbrenner der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der …

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Prof. Dr. med. Jürgen Windeler

Dass sich die derzeitige Gesundheitspolitik durch eine besondere Wertschätzung Evidenz-basierter Medizin auszeichnet, kann man wohl kaum behaupten. Überall wird der Begriff „Evidenz“ vorgetragen, aber was sich wirklich damit verbindet, scheint vielen unklar – oder egal. So fußt schon der aktuelle Hype um Gesundheits-Checks, speziell bei Kindern und Jugendlichen, auf einer fragwürdigen Interpretation von Daten, von einer nach internationalen Maßstäben aufbereiteten und diskutierten Begründung für Vorschläge gar nicht zu reden.

Am 8. Dezember 2023 veröffentlichten die führenden kardiologischen Fachleute Deutschlands auf die hier vorgetragene Kritik eine Art Replik, die speziell ein …

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Dr. Christopher Hermann

Der Beschluss des Gesundheitsausschusses des Bundesrates vom 10. November 2023 zum Krankenhaustransparenzgesetz (KHTG) der Ampelkoalition lässt aufhorchen. Der Ausschuss empfiehlt, gestützt auf ein parteipolitisch bunt gemixtes entsprechendes Votum von zwölf Ländern (Gegenstimmen nur Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland; Enthaltung Berlin), dem Bundesrat auf seiner nächsten Sitzung am 24.11. d.J. zu dem vom Bundestag im Oktober verabschiedeten Gesetz (Bt-Drs. 20/8904) den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat (Art 77 II GG) anzurufen (Br-Drs. 541/1/23).

Damit stünde in der Gesundheits- und insbesondere in der Krankenhauspolitik ein Szenario mit offenem Ausgang ins Haus, das es seit …

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Dr. Matthias Gruhl

Statt sich im Klein-Klein der vielen Projekte, Ankündigungen und Entwürfe aus dem BMG zu verheddern, hilft es ab und zu, sich die Potentiale und Chancen vor Auge zu führen, die sich aus den Vorhaben entwickeln könnten.

Aus den bisher vorliegenden Bausteinen des Krankenhaus-Reformgesetzes (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KVVG) und dem Entwurf des Gesundheitsversorgungstärkungsgesetzes (GVSG) lässt sich ein neues Zielbild einer Versorgungslandschaft entwickeln, das für ein anderes Gesundheitswesen stehen könnte: regional, vernetzt, ganzheitlich, präventiv und sektorenübergreifend.

 

Blick in die Zukunft in mehreren Etappen

In beiden Gesetzesvorhaben geht es immer wieder um eine …

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Dr. Timm Genett

Zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, die auch nach der „Zeitenwende“ Gültigkeit beanspruchen sollten, zählen die Ausführungen zur Gesundheitsförderung: „Wir entwickeln das Präventionsgesetz weiter und stärken die Primär- und Sekundärprävention. Dem Leitgedanken von Vorsorge und Prävention folgend stellen wir uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zielgruppenspezifisch und umfassend.“

Die Formulierung vom Leitgedanken Prävention war kein redaktionelles Versehen. Schon im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP fand sich der programmatische Satz: „In der Gesundheitspolitik wollen wir Vorsorge und Prävention zum Leitprinzip machen.“

  

Die demografische Herausforderung einer Präventionsagenda 2030

Es hat einen ernsten, für die …

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Thomas Stranzl, Dr. Thorsten Pisch

Zell- und Gentherapien zählen zu den derzeit vielversprechendsten medizinischen Innovationen. Sie machen eine Chance auf Heilung möglich, wo bisher oftmals nur palliative Maßnahmen eingesetzt werden konnten: Schon wenige (im besten Fall nur eine) Anwendungen führen zu einer lebenslangen Wirkung.

Sie werden klassifiziert als Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs) – eine innovative Form von Arzneimitteln für die Anwendung beim Menschen, die auf Genen, Geweben oder Zellen basieren.[1] ATMPs haben das Potenzial, die Therapielandschaft zu revolutionieren: Dadurch, dass sie direkt an der Krankheitsursache ansetzen, beispielsweise einem Gendefekt, einer Zellmutation oder einer spezifischen …

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Prof. Dr. med. Jürgen Windeler

Falls für die Wahl zum Unwort des Jahres noch Vorschläge gesucht werden, wären „Vorbeugemedizin“ und „Durchchecken“ ganz heiße Kandidaten. Nicht etwa, weil Vorbeugen nicht wünschenswert und sinnvoll wäre – wir beherzigen dies vorm Überqueren einer Straße ja ganz selbstverständlich. Aber der bisher unübliche Begriff „V.-medizin“ wird zurzeit inflationär und in Zusammenhängen benutzt, die mit sinnvoller, evidenz-basierter Prävention wenig, mit missionarischem Eifer, Rückwärtsgewandheit, Bedienung von wirtschaftlichen Interessen und politischer „weißer Salbe“ sehr viel zu tun haben. Und damit ist der Begriff geeignet, erfolgversprechende Präventionsbemühungen zu torpedieren.

Zur Erinnerung: Die Fachwelt unterscheidet …

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Dr. Robert Paquet

Man erinnert sich noch gut an die Präsentation der Vorschläge der Regierungskommission, die sich Minister Lauterbach am Nikolaustag 2022 ohne Einschränkungen zu eigen gemacht hat. Die „Revolution“ wurde ausgerufen, und die krankenhauspolitischen Reformansätze in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Niedersachsen wurden als viel „zu wenig radikal“ zur Seite gewischt. Nun wird gerade mit den Ländervertretern an einem „Vor-Arbeitsentwurf“[1] gewerkelt, der genau dem Vorbild der NRW-Reform folgt und bei den „sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen“ (bzw. den ursprünglichen Level Ii-Krankenhäusern) das niedersächsische Konzept der regionalen Gesundheitszentren (RGZ) aufgreift.

 Schon einen Monat später, am Drei-Königstag 2023 wurde …

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Dr. Robert Paquet

Nach dem umfangreichen Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit (SVR) ist immer noch nicht alles zum Thema gesagt.[1] Im Gegenteil: Es muss immer wieder daran erinnert werden, dass und welche Konsequenzen für das Gesundheitswesen aus der Pandemie-Krise und anderen Entwicklungen (vor allem Stichwort: Klima) gezogen werden müssen. Dabei geht es um die Notwendigkeit grundlegender, tiefgreifender und langfristiger Veränderungen; stattdessen steckt die Gesundheitspolitik schon wieder im Tagesgeschäft fest.

 Die meisten Akteure setzen einfach – wie gewohnt – ihre Kleinkriege fort. Es geht also um einen neuen „Weckruf“! (Seite 3). Dazu ist es Jens …

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Prof. Dr. Nils C. Bandelow, Lina Y. Iskandar

Die Regionalisierung war eines der großen Versprechen des Koalitionsvertrages dieser Legislaturperiode. Seitdem schleichen verschiedene Regionalisierungsinitiativen voran, die Bundesregierung bleibt trotz des aktuellen Referentenentwurfes für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ein schwacher Akteur.

In ihrer Halbzeitbilanz attestiert die Bertelsmann Stiftung dem Ressort von Karl Lauterbach eines der schlechtesten Zwischenergebnisse aller Politikfelder (Vehrkamp & Matthieß, 2023). Von den 42 Vorhaben, die für den Bereich Gesundheit identifiziert werden, sind 25 noch nicht erfüllt. Das sind mehr als die Hälfte, in keinem anderen Ressort scheint es mehr unerfüllte Versprechen zu geben. Auffällig ist, dass einige Regierungsvorhaben in …

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11.08.2023

STIKO: War da was?


Dr. Heinrich Walter

Noch vor einem Jahr war die Ständige Impfkommission (STIKO) in aller Munde. Es ging vor allem um die Empfehlungen zur Booster-Impfung gegen Corona. Seitdem ist es um die Kommission still geworden. Die öffentliche Kritik, die in der Pandemie vielfach geäußert wurde, scheint vergessen. Die wegen des Ablaufs der Berufungsperiode fällige Neubesetzung steht aus. Die bisherigen Mitglieder machen einfach weiter. Eine neue Studie des IGES-Instituts zeigt, dass durch die pandemiebedingte Priorisierung der STIKO-Arbeit wichtige Themen zurückgestellt werden mussten. 

Wie kann die Legitimation und Glaubwürdigkeit der Kommission verbessert werden? Wie kann sie …

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Dr. Andreas Meusch

Eine „Revolution“ hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit seiner geplanten Krankenhausreform angekündigt. Nach den Abstimmungen mit den Bundesländern vor der parlamentarischen Sommerpause sprach er dann nur noch von „einer Art Revolution“. Wer die Berichterstattung in den Medien verfolgt und vor allem Gespräche über die geplante Krankenhausreform führt, dem fällt auf, wie viele Beteiligte und Beobachter die Reform schon abgeschrieben haben.

Das beherrschende Narrativ scheint das Bild vom Tiger und dem Bettvorleger zu sein. Gegen Lauterbach spricht auch die Empirie: So stellt Prof. Dr. Nils Bandelow als Ergebnis der Analysen zurückliegender Reformbemühungen fest: …

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