BAH-Sommerfest mit starkem europapolitischen Statement zu Gesundheitsdaten

BAH-Vorstandsvorsitzender Jörg Wieczorek begrüßt die Gäste, Axel Voss (Mitglied des EU-Parlaments, CDU) wartet auf seinen Auftritt.
Stefan Brinkmann (CEO Merz Therapeutics, BAH) (r.) und Ralf Mayr-Stein (Mylan Germany, BAH)
Hält eine beeindruckende Rede: Axel Voss (Mitglied des EU-Parlaments, CDU)
Elmar Kroth ( BAH) hört Werner Knöss (BfArM) (r.) zu.
Katja Pütter-Ammer (MEDICE Arzneimittel Pütter, BAH) im Gespräch
In prächtiger Stimmung: Jörg Wieczorek (BAH), Axel Voss (Mitglied des EU-Parlaments, CDU), Ursula Sautter (Bürgermeisterin der Stadt Bonn), Hubertus Cranz (BAH) (v.l.n.r.)
Interessierte Gaste beim BAH-Sommerempfang
Axel Voss (Mitglied des EU-Parlaments, CDU) mit Hermann Kortland (BAH) (l.) und Gloria von Schorlemer (Pro Generika)
Peter Preuß (CDU-Landtagsfraktion NRW), Florian Reuther (PKV-Verband) und Susanne Schneider (FDP-Landtagsfraktion NRW) (v.l.nr.)
Theresa von Fugler (Sanofi) mit Tobias Boldt (Bayer Vital, BAH)
Günter Auerbach (Dr. Pfleger Arzneimittel, BAH) amüsiert sich augenscheinlich sehr.
Norbert Paeschke (BfArM) (r.) mit Elmar Kroth (BAH)


Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, seit der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sein letztes Sommerfest veranstalten konnte – dann kam die Corona-Krise. Am 23. Juni wurde endlich wieder in der alten Bundeshauptstadt gefeiert – traditionell in der Geschäftsstelle des Verbandes und dort im schönen Garten mit großem Zelt, wie schon vor mehr als 30 Jahren.

Sorgen machte an diesem Abend den zahlreichen Gästen zwar auch das drohende Kostendämpfungsgesetz – der neue Referentenentwurf mit Schwerpunkt Pharma wurde stündlich erwartet –, aber eher noch das mögliche Unwetter, das im Laufe des Abends nach Bonn ziehen sollte und damit auch das schöne Gartenfest des BAH abrupt beendet hätte.

Der BAH-Vorstandsvorsitzende Jörg Wieczorek begann seine Begrüßung jedoch bei herrlichem Wetter: Wenn der BAH zum „Sommerfest“ einlade, dann meine er auch Sommerfest, mindestens 30 Grad. Die Herren dürften ihre Sakkos ausziehen. Dann skizzierte eher mit einigen Stichworten die Herausforderungen für die Branche und damit auch den fachlichen Gesprächsstoff für den Abend: Lieferketten, Energiekosten, Digitalisierung, Revision der EU-Arzneimittelversorgung, Medizinprodukteverordnung, Austauschbarkeit von Biologika, e-Rezept mit Plattformen, elektronischer Beipackzettel. Mit den Mitarbeitern des BAH an beiden Standorten Bonn (Hauptsitz) und Berlin (Politik und Öffentlichkeitsarbeit) sei man für die anstehenden Aufgaben hervorragend aufgestellt. Und das auch bei einem drohenden GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: „Wer redet eigentlich über ein Arzneimittelhersteller-Stabilisierungsgesetz?“ Wieczorek endete mit einem obligatorischen Statement für den Standort Bonn: Er sei wichtig, viele Mitglieder in der Nähe, wie das BfArM und auch andere wichtige Stakeholder. Bonn sei schön nicht nur beim Sommerfest, „und hier bleiben wir!“ Worüber sich die anwesende zweite Bürgermeisterin Dr. Ursula Sautter natürlich sichtlich freute.

Das Thema Gesundheitsdaten elektrisiert Arzneimittelhersteller fast wie Kostendämpfung, und deshalb hörten alle gespannt dem Europaabgeordneten Axel Voss (CDU) zu, den Wieczorek als den „Herrscher aller Gesundheitsdaten“ einführte, und der hielt eine wirklich bemerkenswerte Ansprache. Sein thematischer Schwerpunkt im EU-Parlament ist die Digitalpolitik. Voss ist u.a. Berichterstatter seiner Fraktion für die Überarbeitung der EU-Datenschutzverordnung. Nach einem kurzen Vorgeplänkel über die lobenswerte Nähe des Standorts Bonn zu Brüssel kam er schnell zur Sache. Es sei extrem wichtig, diesen gewaltigen Gesundheitsmarkt mitzubestimmen, und das spiele sich heute über die Daten ab. Unter den 200 größten kapitalisierten Unternehmen seien nur noch acht aus Europa.

Man könne dabei zwar nicht alles auf die Datenschutzgrundverordnung schieben, aber sie trage einen Teil dazu bei, „dass wir nicht so gut vorankommen“. Europa könne der Welt enorm etwas bieten, „wenn wir unsere Werte und ethischen Prinzipien mit der Technologie verbinden“. Aber man müsse genau so schnell und flexibel sein wie die anderen – vor allem China und die USA. Er möchte als CDU-Abgeordneter nicht zu Anarchie oder Revolution aufrufen, aber „schon beinahe in diese Richtung. Wir müssen mehr mit den Daten machen, auch mehr Daten teilen.“ Gesundheitsschutz gehe über Daten.

Die Unternehmen sollten intensivst darüber nachdenken, Daten zu nutzen und ggf. auch zu teilen. In der EU sei der Data Governance Act schon verabschiedet. Dort sei explizit aufgeführt, einen europäischen Gesundheitsdatenraum entwickeln zu wollen – datenschutzkonform, über Datentreuhänder etc. Im Gesundheitsdatenbereich sei eine Re-Identifikation unumgänglich, wenn die Patienten von neuen Behandlungen und Medikamenten profitieren sollen. „Deshalb würde ich Sie bitten: Sammeln Sie Daten, auch wenn es datenschutzrechtlich nicht immer so ganz konform sein mag (ein Raunen ging durch die Zuhörerschaft), aber die Datenminimierung, die in der Datenschutzgrundverordnung heute drinsteht, ist heute aus meiner Sicht einfach nicht mehr zeitgemäß“, wandte er sich an die Gäste. Auch die künstliche Intelligenz dürfe nicht vergessen werden, sie sei der Booster der Digitalisierung. Sein fast schon flehentlicher Appell: „Beschäftigen Sie sich damit, gebrauchen sie es, wir werden sonst nicht mithalten!“ Seine Take Home Message war denn auch kurz und bündig: Er wolle nicht, dass am Ende auf seinem Grabstein steht: „Meine Daten waren sicher“, sondern dass die Unternehmen (mit ihren Arzneimitteln) ihn gesund machen. Das sei auch die Aufgabe des Staates.

Mit diesem starken Impuls wurden die Gäste in den kulinarisch stärkenden und gesellschaftlichen Teil des Abends entlassen ­– mit vielen Gesprächen in angenehmer Atmosphäre. Und auch das Wetter spielte so lange mit, bis die letzten Gäste verabschiedet waren. Vom Kostendämpfungsgewitter der nächsten Wochen, vor allem mit dem Donnerschlag einer „Solidaritätsabgabe“ der pharmazeutischen Industrie, blieben der Verband und seine Mitgliedsunternehmen allerdings nicht verschont.

 

Prof. Dr. Andreas Lehr


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