29.04.2024
Achtung, die Krankenhausreform kommt
Thomas Bublitz, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK)
Jetzt ist es endlich soweit: Nach mehr als einem Jahr werden auch die Krankenhausverbände um ihre Meinung zum Krankenhausversorgungsstärkungsgesetz (KHVVG) gefragt. Endlich können wir uns konstruktiv in die Debatte einbringen. Dies hatte der Minister genauso immer versprochen und natürlich auch gehalten.
Die Einladung zur Anhörung des Referentenentwurfs am 29.04 ist an einen sorgfältig ausgewählten Empfängerkreis gerichtet. Ungefähr 150 E-Mail-Empfänger haben am 29. April für drei Stunden die Gelegenheit, sich zur Reform zu positionieren. Von ADAC, dem Automobilclub, bis zum ZVEI, dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie, sind alle dabei.
Ich habe ehrlich gesagt nicht die Hoffnung, dass auch gut gemeinte Hinweise zu den einzelnen Reforminstrumenten aus der Krankenhausszene berücksichtigt werden. Dies geht schon aus zeitlichen Gründen gar nicht, denn in der Woche darauf soll bereits das Bundeskabinett über den Gesetzentwurf entscheiden. Also bin ich dankbar, dass ich zumindest an dieser Stelle ein paar Hinweise geben darf, die auf Interesse stoßen.
Versorgungssicherheit
Ja, die Krankenhausreform ist nötig. Sie sollte vor allem darauf abzielen, Versorgungssicherheit für die Patienten zu gewährleisten. Wir steuern nämlich in vielen Regionen Deutschlands auf einen Versorgungsnotstand hin. Er ist durch die Urbanisierung und den Fachkräftemangel getrieben. Diesen Aspekt hat die Reform aber nicht wirklich im Blick. Zentralistisch sollen bundeseinheitliche Strukturanforderungen an die Leistungserbringung geknüpft werden, die bei Nichterfüllung zum Ausschluss der Finanzierung durch die Krankenkassen führen. Dann sind die Angebote schnell verschwunden. Leider wird der Blick auch nicht auf den Versorgungsbedarf in den einzelnen Versorgungsregionen gelenkt. Für die Frage, ob ein Krankenhaus erhalten bleibt oder nicht, spielt es in dieser Reform also gar keine Rolle, ob in der Region noch eine hinreichende ambulante ärztliche Versorgung, ein funktionierender Rettungsdienst und eine Notfallversorgung vorhanden ist. Der Fokus der Reform ist ausschließlich darauf gerichtet, Krankenhauskapazitäten in nennenswertem Umfang nach “Schema F“ abzubauen und zu zentralisieren. Die Länder haben dabei nur zeitlich begrenzt Möglichkeiten, von den Bundesvorgaben abzuweichen, wenn sie wollen, dass die Finanzierung des Krankenhauses gewährleistet ist.
Sektorübergreifende Versorgungszentren
Wesentliches Instrument für den Kapazitätsabbau sind die sektorenübergreifenden Versorgungszentren. Krankenhäuser, die nicht mehr gebraucht werden, haben die Möglichkeit, von den Landesplanungsbehörden im Benehmen mit den Krankenkassen zu solchen Zentren bestimmt werden zu können. Ihr Leistungsspektrum gleicht dem eines bunten Bauchladens: ein bisschen stationäre Versorgung für zugewiesene Leistungsgruppen, ambulante Leistungen aufgrund von Ermächtigungen, ambulante Operationen, medizinisch pflegerische Versorgung, belegärztliche Leistungen, Übergangs-, Tages- und Nachtpflege können erbracht werden. Finanzieren sollen die Krankenkassen über ein vereinbartes Gesamtvolumen. Auch aus Sicht der Patienten sind diese Einrichtungen sicher eine gute Idee. In Kenntnis der Verhandlungstaktik der Krankenkassen sehe ich aber schon jetzt, dass die Krankenhäuser kein existenzsicherndes Verhandlungsergebnis erreichen werden. Ohne eine volle Auslastung und ohne umfassende Vorhaltefinanzierung dürften sich diese Einrichtungen kaum wirtschaftlich tragen. Hier wäre die Vorhaltefinanzierung notwendig. Zerrieben werden die Einrichtungen zudem durch die Summe der für den jeweiligen Leistungsbereich geltenden gesetzlichen Vorschriften (z. B. SGB XI- Vorschriften und Heimgesetze der Länder).
Vorhaltepauschalen
Vorhaltepauschalen sollen die Krankenhäuser vor allzu starker Fallzahlabhängigkeit bewahren. Bei Lichte betrachtet fällt allerdings auf, dass die Vorhaltepauschalen fallzahlabhängig konstruiert sind. Wie diese Gleichung aufgehen soll, erschließt sich mir nicht. Auch die Projektion der Versorgungslandschaft in die Zukunft nach Inkrafttreten der Krankenhausreform macht es nicht besser: Mal angenommen, es gäbe überwiegend nur noch große Krankenhäuser des Levels III und II, dann wäre die Versorgungslandschaft deutlich ausgedünnt. Alle Patienten würden gemäß Lauterbachs Empfehlungen in diese großen Kliniken gehen, um endlich qualifiziert und gut versorgt zu werden. Diese Kliniken dürften sich dann vor Patienten nicht mehr retten können. Da käme eine Vorhaltepauschale doch gerade recht, die den Krankenhäusern Geld bringt, auch wenn sie Patienten nicht behandeln. Die dann entstehenden langen Wartelisten kann man sich vorstellen.
Mindestvorhaltezahlen
Neben den Qualitätsvorgaben für die Leistungsgruppen ist kurz vor Versand des Referentenentwurfs noch das Instrument der Mindestvorhaltezahlen nach § 135 f SGB V in den Referentenentwurf geflutscht. Er macht die Perspektive für die Krankenhäuser mit seinen fünf geschmeidig formulierten Absätzen erst richtig rund: Erst dann, wenn die von IQWIG festgelegten Mindestvorhaltezahlen in einem Jahr erfüllt sind (InEK), gibt es für das nächste Jahr eine Abrechnungserlaubnis für die Vorhaltepauschale. So verhindert man wirksam Investitionen in die Gesundheitsversorgung in dünn besiedelten Regionen.
Fachkrankenhäuser
Dumm aus der Wäsche schauen könnten auch die vielen Fachkrankenhäuser, die sich auf die Behandlung komplexer Erkrankungsbilder spezialisiert haben und damit das vollzogen haben, was Lauterbach jetzt als Devise vorgibt. Sie könnten nämlich mit der Krankenhausreform ebenfalls ihre Existenzgrundlage verlieren. In der nordrhein-westfälischen Planungslogik, die nun zum bundesweiten Maßstab für die Finanzierung der Leistungen gemacht wird, müssen die Fachkliniken verwandte Leistungsgruppen wie Allgemeine Innere Medizin oder Intensivmedizin vorhalten. In anderen Bundesländern ist das jedoch nicht der Fall. Die Erfüllung dieser Vorgaben soll allenfalls übergangsweise und dies auch nur im Einzelfall in Kooperation erfolgen dürfen. Auch hier wieder: Bundesschablone killt etablierte Versorgungsstrukturen und politisch gewollte Spezialisierung.
Leistungsgruppen
Die Anforderungen an die Leistungsgruppen sind der zentrale Schlüssel für die Frage, welche Leistungen ein Krankenhaus erbringen darf. Die Anforderungen werden in einem mehrstufigen Prozess zentral auf Bundesebene durch einen gesonderten Ausschuss entwickelt und durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Planungsbehörden auf Landesebene weisen auf dieser Basis die Leistungsgruppen zu. Der Medizinische Dienst überprüft alle 2 Jahre, ob die Voraussetzungen im jeweiligen Krankenhaus erfüllt sind. Der Planungshorizont verkürzt sich für die Krankenhäuser damit auf 2 Jahre. Lohnen sich Investitionen in so ein wackliges System überhaupt noch?
Fazit
So könnte man in der Bewertung der einzelnen Reformelemente weitermachen. Eine klare Erkenntnis, welches Krankenhaus eigentlich wann für was noch da ist, gewinnt man aber nicht. Vieles Essentielles, wie die Anforderungen an die Leistungsgruppen, die Prüfkriterien des Medizinischen Dienstes oder die Mindestvorhaltezahlen sind ja noch gar nicht bekannt. Eine Auswirkungsanalyse ist wie so vieles versprochen, aber nicht in Sicht, wie auch bei derart unklaren Grundlagen. Einschätzbar und beherrschbar ist der Gesetzentwurf weder für Länder noch für die Krankenhäuser. Aufhalten werden wir ihn vermutlich nicht. Also bleiben wir optimistisch, wir sind hier schließlich nicht bei „Wünsch Dir was“, sondern bei „so isses!“
_observer.jpg)
Alle Kommentare ansehen