10.04.2019
70-Jahr-Feier des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB)
Wenn ein Verband 70 Jahre alt wird, ist das ein sehr guter Grund zu feiern. Der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) begeht seinen Geburtstag in einem Jahr voller Gedenktage und Jubiläen: Das Grundgesetz wird 70 und auch die NATO begeht ihren 70. Die Bundesrepublik wurde vor 70 Jahren gegründet. Und der Mauerfall liegt bereits 30 Jahre zurück. Geladen hatte der BFB am 10. April in den Schlossplatz 1 in Berlin – ins ehemalige Staatsratsgebäude, heutiger Sitz der European School of Management und Technology. Eine gute Wahl; denn die freien Berufe in Deutschland sind selbstbewusst, engagiert und mit einem festen gesellschaftlichen Platz.
BFB-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer erinnerte nur „wenige Augenblicke“ an die Anfänge des Bundesverbandes. Am 26. März 1949 gründeten vier Landesverbände den „Zentralverband der freien Berufe“, ein halbes Jahr später – am 26. September 1949 – dann die Taufe für den BFB. „Avantgardisten des Gemeinwohls“ nannte der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, die freien Berufe. Das „freiberufliche Fundament“, wie es Ewer betitelte, ist seitdem immer stabiler geworden. Das Jahresmotto 2019 heißt denn mit Blick auf die neuen Herausforderungen „70 Jahre BFB – so jung, wie das Grundgesetz“. Und fürwahr: Mit der Digitalisierung stehen auch die freien Berufe vor großen Herausforderungen, die auf der Festveranstaltung unter dem Titel „Gemeinwohl und Glasfaser – der freiberufliche Rechtsrahmen im digitalen Zeitalter“ thematisiert und diskutiert wurden.
Die Digitalisierung ist nach Aussage von Ewer allgegenwärtig. „Digital“ taucht fast 300mal im Koalitionsvertrag auf, viermal nur „Gemeinwohl“. „Nie aber miteinander verkoppelt“, so Ewer. Das wolle der BFB ändern und die Debatte erweitern, die Digitalisierung auch in den Dienst des Gemeinwohls stellen. Denn die freien Berufe hätten im Zuge des digitalen Wandels „eine besondere Verantwortung“ für die Bürger. Es gehe vor allem um Schutz des Vertrauensverhältnisses, so Ewer, zu den Patienten, Mandanten, Klienten und Kunden.
Wer konnte die Bedeutung der freien Berufe denn auf diesem Jubiläumsfest besser präsentieren als Prof. Dr. Stefan Harbath, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes und Vorsitzender des Ersten Senats. Das Jahresmotto des BFB „So jung wie das Grundgesetz“ wärme einem Verfassungsrichter das Herz. Harbath sei 18 Jahre selbst Teil der Freiberufler gewesen – als Rechtsanwalt. Die Gesellschaft erwarte von den Freiberuflern altruistische Leistungserbringung mit Blick auf das Gemeinwohl: weisungsunabhängig und in Selbstverantwortung. Ihre Bedeutung könne nur ermessen, wer die gesellschaftliche Entwicklung ausgehend von den artes liberales berücksichtige. Vor dem frühen Liberalismus seien Ärzte und Rechtsanwälte staatlich eingebunden gewesen. Das Selbstbewusstsein freischaffender Persönlichkeiten sei liberales Eigentum in der Abwehr staatlicher Eingriffe, wobei die Staatsfreiheit dieser Berufe bis heute nicht erreicht sei.
Ein einheitlicher Rechtsrahmen für die verschiedenen freien Berufe ist nach Aussage von Harbath kaum möglich, aber einige Elemente doch: steuerrechtlich – die Befreiung von der Gewerbesteuer und klare Unterschiede zu freien Gewerbetreibenden; keine Industrie- und Handelskammer, im Baurecht die Möglichkeit, dort zu praktizieren, wo Gewerbetreibende nicht agieren dürfen. Zudem würden die freien Berufe der privatrechtlichen Selbstorganisation unterliegen, wobei der rechtliche Rahmen nicht festgefügt sei.
Die Sonderstellung der freien Berufe zeige sich auch daran, dass die Art ihrer Leistungen von zentraler Bedeutung für das Gemeinwesen ist. Sie seien Pfeiler des Mittelstandes – und des Wohlstandes, bieten eine hochwertige Dienstleistung mit individuellem Charakter. Der Zugang zu diesen vertrauensvollen Dienstleistungen sei für jeden gewährleistet. Das gelte auch für das digitale Zeitalter. Der besondere Dienstleistungscharakter müsse sichergestellt werden.
Zwei Herausforderungen für die freien Berufe thematisierte er besonders: Digitalisierung und europäische Vorgaben. Die Digitalisierung verglich Harbath mit der Einführung des Buchdruckes – ein immenser Umbruch mit Chancen und Anpassungserfordernissen. Das sei nicht bloß eine technische Frage nach dem Machbaren. Die Verbände seien gefordert, um Abhängigkeiten und Gefahren für die Demokratie abzuwehren. Die Digitalisierung müsse gemeinwohlorientiert ausgerichtet sein. Es gehe unter anderem. um Verschwiegenheit, Vertraulichkeit, Datenschutz und -sicherheit. Verbindliche internationale Standards seien erforderlich.
Die Dienstleistungsfreiheit, eine der vier Säulen der EU-Freiheiten, betreffe für Harbath auch die Freiberuflichkeit. Bei aller Liberalisierung seien die erreichten Qualitätsstandards zu sichern. Dieses Ziel dürfte niemals aus dem Blick geraten, wenn man den Wettbewerb öffnen und die Produktivität erhöhen wolle. Damit gehe das Subsidiaritätsprinzip einher, um den Bedürfnissen vor Ort Rechnung zu tragen. Für Harbath spielen die freien Berufe eine besondere Rolle für das Gemeinwohl. Sie seien es, die einen „wirklich wichtigen Dienst für die Zukunft leisten“.
In der anschließenden Diskussion verwies die FDP-Politikerin und Kandidatin für die Europawahl, Nicola Beer, auf die Digitalisierung. Sie sei für Beer ein Werkzeug. Es sei eine Frage der Ethik, wie dieses Werkzeug eingesetzt werde und wo die Grenzen gezogen werden. Die riesigen Datenmengen seien ein Problem. Beer machte unmissverständlich klar, was für die Gesellschaftsordnung in analoger Form richtig sei, müsse in die digitale Welt übersetzt werden: „Die Bewertung ist ein Diskurs, den wir führen müssen.“ Der digitalen Welt müsse man sich stellen.
Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Institute for Competition Economics, sagte, dass man sich im Interesse des Verbraucherschutzes auf begründetes Wissen stützen solle. Der gesellschaftliche Kontext sei wichtig. Neuen Digitalisierungsmodellen, wie der Telemedizin, müsse sich gestellt werden. Das Konzept der freien Berufe sei, dass verschiedene Kontexte verwendet würden – ethische und ökonomische. Berufsbilder würden sich weiterentwickeln im Leitbild der freien Berufe.
Prof. Dr. Winfried Kluth, Direktor am Institut für Medizin-Ethik-Recht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, prophezeite eine Veränderung des regulatorischen Rahmens. Alte Zöpfe würden abgeschnitten, denke man nur an die Einführung der ePA, die Videosprechstunde. Digitalisierung verändere auch die Märkte. Dinge werden sich verändern, Probleme jedoch nicht alle gelöst, wie bei Hotels oder Restaurants.
Vertrauen sei wichtiger denn je, so Dr. Danyal Bayaz MdB, Startup-Beauftragter bei Bündnis 90/Die Grünen. Digitalisierung sei neutral, man müsse sie jedoch nutzen. Bayaz plädierte für ein Gütesiegel.
„Die eigentliche Verantwortung liegt bei den Menschen“, sagte BFB-Präsident Ewer. Der Einsatz von digitalisierten Instrumenten könne bestimmte Dinge überflüssig machen. Jedoch bestehe die Arbeit der freien Berufe in „höherwertigen Dienstleistungen“, die wesensprägend sei – nicht die Digitalisierung. Nach Aussage von Ewer sollte die Arbeitskraft der Freiberufler sich darauf konzentrieren, was höherwertige Dienstleistungen sind.
Für den neuen BFB-Hauptgeschäftsführer Peter Klotzki, der beim anschließenden Empfang das Wort ergriff, stehen vor allem Werte, Kommunikation, Kooperation und Zusammenhalt ganz oben auf der Agenda für den Erfolg der freien Berufe. 70 Jahre BFB seien das Fundament für weitere Arbeit. Die Veranstaltung hat gezeigt, der BFB ist eine feste Größe unter den Verbänden.
Fina Geschonneck, Andreas Lehr
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