150-jähriges Jubiläum des Deutschen Apothekerverbandes

Gastgeber Thomas Dittrich, Nachfolger Fritz Beckers als DAV-Vorsitzender
Hubertus Cranz (BAH) (l.) mit Ex-ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf
Blick in den voll besetzten Festsaal in der Großen Orangerie im Schloss Charlottenburg
Hans-Georg Feldmeier (BPI) gesteht Familiäres.
Holt aus zum nächsten Kalauer: Festredner Manfred Lütz
Friedemann Schmidt (BFB) spricht jetzt für alle Freiberufler.
Spaß (nicht nur) auf den vorderen Bänken beim Festakt zum 150-jährigen Bestehen des DAV
Fraktionsvize Sepp Müller MdB (CDU) vor königlichem Ambiente
Kontrast zu Pomp und Ehre: das Lukas Kastelic Trio vom Jazz-Institut Berlin
Gabriele Regina Overwiening (ABDA) bei ihrer Rede für Fritz Becker (DAV)
Fritz Becker (DAV), die Präsidentin der ABDA und ein Blumenstrauß
Apotheker Fritz Becker erhält von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Hans-Meyer-Medaille.
Bester Laune: Markus Leyk Dieken (gematik) und Claudia Korf (ABDA)
DAV-Ehrenvorsitzender Fritz Becker dankt für die Ehrung am Jubeltag.
Tino Sorge MdB (CDU) (l.) mit dem Ehrenvorsitzenden Fritz Becker (DAV)
Erwin Rüddel MdB (CDU) bei Sekt und frischer Luft im Gespräch
Historiker Michael Dammann (PHAGRO) mit einer steilen These
Kirsten Sucker-Sket (Deutsche Apothekerzeitung) kennt sie alle, hier Matthias Arnold (ABDA)
Apotheker Ulrich Ritter über die Versorgung vor Ort – in Namibia
Von nachdenklich bis dynamisch: ABDA-Altpräsident Hans-Günter Friese (l.) mit Bundesapothekerkammer-Präsident Thomas Benkert


Apotheker waren schon immer da. Die Gesundheit mit geeigneten Wirkstoffen zu befördern, ist seit jeher fester Bestandteil der menschlichen Kultur. Da verwundert es nicht, dass auch die Politik früh auf den Plan trat. Bereits im 13. Jahrhundert nahm Kaiser Friedrich II. den Ärzten die Arzneimittel aus der Hand und sprach sie fürderhin den Apothekern zu. Diese nahmen den kaiserlichen Auftrag gerne an und gründeten 1872 – gut 600 Jahre später – den Deutschen Apothekerverein. Stolz feierte der DAV am 10. Oktober sein 150. Jubiläum; inzwischen ist aus dem Verein ein Verband geworden.

Angesichts dieser beispiellosen Vorgeschichte kam mancher Gast ins Schwärmen, so auch der Historiker Michael Dammann vom PHAGRO, der im Namen der Großhändler die besten Glückwünsche überbrachte. Dammann gewährte Einblicke in die inspirierende Arbeit der Geschichtswissenschaft und berichtete – mit schelmischen Blick über die gediegene Hornbrille: Es gebe unter Historikern die These, der DAV sei in Wahrheit bereits 200 Jahre alt! Offensichtlich sieht man in Historikerkreisen die Vorgänger des DAV, den nord- und den süddeutschen Apothekerverein, nicht als eigenständige Einheiten. Eine wahrlich steile These, die Dammann nicht näher ausführte – vermutlich aus Rücksicht auf die 17 Gliederungen des DAV, die großen Wert auf ihre Eigenständigkeit legen dürften.

 

Hans-Georg Feldmeier, BPI, kommt aus Apothekerfamilie

Doch nicht nur historisch, sondern auch ganz familiär, gab es Beeindruckendes zu hören – diesmal aus der Industrie: Hans-Georg Feldmeier, Vorstandsvorsitzender des BPI, machte sich mit den Jubilaren gemein und offenbarte seine eigene Provenienz: Er selbst, zwei seiner vier Geschwister, der Vater, die Mutter und deren beste Freundin – allesamt Apotheker! Sein Gang in die Industrie sei da keine einfache Entscheidung gewesen. Nach Feldmeiers sehr persönlichem Geständnis verlegte sich der dritte Gratulant, Friedemann Schmidt, wieder ganz auf die Vogelperspektive. Das ehemalige Gesicht der ABDA ist inzwischen zum Präsidenten aller freien Berufe aufgestiegen ist und bewegt sich auf Augenhöhe mit BDI und ZDH, was Schmidt nicht zu erwähnen vergaß. Trotzdem vertrat Schmidt – auch in seiner jetzigen Funktion als BFB-Präsident – die Ansicht: Der Apotheker sei „der präsenteste aller freien Berufe“ im Lande, denn die Apotheke vor Ort sei „das Schaufenster der Freiberuflichkeit“.

 

Manfred Lütz verlegt sich auf ungefährliches Terrain

Wer nun glaubte, der Abend würde nach diesen wohltuenden Grußworten einem salbungsvollen Höhepunkt entgegensteuern, wurde überrascht. Die Organisatoren waren ein Wagnis eingegangen und hatten den Psychiater und Publizisten Manfred Lütz als Festredner verpflichtet. Dem Psychiater eilte ein fraglicher Ruf voraus. Einerseits ist Lütz dafür bekannt, dass er als Entertainer sein Publikum zu Lachsalven hinreißen kann. Andererseits zieht er in berufspolitischen Debatten auch kräftig her über Patienten und Psychologen, was schon zu wütenden Reaktionen geführt, u.a. von Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer im März und Juni des Jahres 2019. Man durfte also gespannt sein, wohin die Emotionen diesmal flögen. Es wurde fröhlich. Festredner Lütz verlegt sich auf ungefährliches Terrain. Dabei sparte er nicht mit Geschichten, die ganz tief aus der Kalauer-Kiste kamen, und vermied jede Spitze gegen Akteure im Gesundheitswesen. Stattdessen machte er sich lustig über Autoren, die – wie er selbst auch – einen Glücks-Ratgeber geschrieben haben und zitierte ganz nebenbei zwei Dutzend Philosophen zum Thema Glück. Wer sich vorgenommen hatte, hieran im Nachgang Stilkritik zu üben, schmiss schnell das Handtuch. Der Vortrag war unterirdisch, politisch völlig unkorrekt, und das Publikum bog sich vor Lachen.

Politisch wurde Manfred Lütz dann doch noch eher unfreiwillig. Nachdem er ausführlich über anderer Autoren Ratschläge zum Glück gespottet hatte, konnte er sich nicht verkneifen, dem Publikum auch seinen ganz persönlichen Rat mit auf den Weg zu geben: Geld mache doch nicht glücklich; schließlich lebten in Bangladesch die glücklichsten Menschen der Welt. Was für eine Erkenntnis in Zeiten einer Regierung namens Ampel, die den Apothekern einen Teil ihres (Vergütungs-) Glücks glatt vorenthalten will! Deren Spargesetz bewegt sich ganz im Lützschen Sinne: Ein bisserl weniger tut’s auch. Das Publikum nahm den deplatzierten Ratschlag aber nicht übel. Lachen verursacht halt Glücksgefühle – mit oder ohne Geld.

 

Kein Blatt zwischen Volksvertreter Sepp Müller und Apotheker

Eher absichtlich hatte sich zuvor ein Abgeordneter zum Spargesetz geäußert, und zwar ein hochrangiger: Sepp Müller von der Unionsfraktion machte beim DAV seine Aufwartung. Müller ist ein Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Davon gibt es allerdings zwölf! Ob das nötig ist, weil Merz ständig fehlt oder ob es in der Opposition keine besseren Posten zu verteilen gibt, ist unklar. Beim DAV fühlte sich der 33jährige Spitzenpolitiker sichtlich wohl; da mochte man ihm die Jeans (Marke oft gewaschene Lieblingsklamotte) gerne nachsehen. Optisch stach er damit etwas heraus; das Publikum war überwiegend klassisch-elegant zum Festakt im Schloss erschienen. Inhaltlich passte jedoch kein Blatt zwischen den Volksvertreter und dem anwesenden Volke. Geschickt stellte Müller zum Ende seiner Grußadresse die Frage, ob denn die Kürzung der Apothekervergütung wirklich der richtige Weg sei. Der Applaus war ihm sicher. Man hätte nun gerne noch gewusst, wie er selbst das GKV-Defizit denn schließen würde. Herr Müller war dann aber rechtzeitig verschwunden. Termine, Termine.

 

Großen Rahmen setzen DAV-Vorsitzender und ABDA-Präsidentin

Den großen Rahmen des Abends setzten die amtierenden Granden der Apothekerschaft: Thomas Dittrich als Vorsitzender des DAV und Gabriele Regina Overwiening als Präsidentin der ABDA. Dabei bemühte auch Dittrich einen Kaiser und berichtete von Wilhelm dem Ersten. Kaiser Wilhelm war schon ein Jahr vor dem DAV am Start, zehn Jahre später trat dann Bismarck mit den Sozialgesetzen auf den Plan, und damit begannen 140 Jahre erbaulicher Disput mit den Krankenkassen. Dittrich streifte durch die Geschichte des Verbandes, erwähnte dabei auch die Abgründe der deutschen Geschichte und erinnerte schließlich an die wichtigen Aufgaben der Verbände in einem subsidiären Staate. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening trat gegen Ende der Veranstaltung ans Pult, um Fritz Becker für sein 30jähriges Engagement im DAV zu ehren. Becker wurde mit standing ovations bedacht, hielt eine launige Dankesrede und gestand: So manches Bierchen habe die Verbandsarbeit begleitet. Vielleicht war das die Wurzel für eine Position der Apotheker, die Overwiening kürzlich am Rande der expopharm verkündet hatte: Apotheker hätten heilberufliche Bedenken zur Abgabe von Cannabis für Genusszwecke, wollten der Politik aber helfen unter einer Bedingung: Die Abgabe von Cannabis in Apotheken könne nur exklusiv UND optional geschehen. Schon damals gewann man den Eindruck: Die Apotheker genießen ein gesundes Selbstbewusstsein. Nach Overwienings Laudatio war klar: Das könnte auch ein Verdienst des allseits geschätzten Fritz Becker sein. Die Hans-Meyer-Medaille der deutschen Apothekerschaft hat er sich wahrlich verdient.

Zum Ende des langen Programmes gab es schließlich noch einen kurzen Moment der Rührung. Aus Namibia angereist war der Präsident der dortigen Apothekervereinigung. PSN-Präsident Ulrich Ritter, der in Windhoek die Luisenapotheke betreibt, dankte für die Unterstützung der deutschen Kollegen bei Projekten (Spenden waren erbeten) und berichtete in fließendem Deutsch aus Afrika. In Namibia, einem Land, das doppelt so groß sei wie Deutschland, lebten nur drei Millionen Menschen. Damit die Menschen in dünn besiedelten Regionen versorgt werden könnten, organisiere man in „Outreach-Projekten“ eine monatliche Abgabe von Arzneimitteln an festgelegten Treffpunkten. Ein solcher Treffpunkt könne auch ein Baum sein. Das erinnerte kurz an die heimische Klage zu Unterversorgung im ländlichen Raum. Der bescheiden auftretende Gast aus Afrika gewann so nicht nur die Sympathie des Publikums. Ritter beendete den feierlichen Abend auch mit einer Botschaft, die bestens in das Kommunikationskonzept des DAV passen dürfte: Versorgung braucht immer Apotheker – und sei es an einem Baum in Afrika – Hauptsache: VOR ORT.

 

Sebastian Hofmann


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